22.10.2023 / Wort zum Tag

Ein ungewöhnlicher Buchstabe

Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich lädst.

3. Mose 19,17

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In der Tradition des Judentums wird auch von der Erschaffung der Buchstaben erzählt:  In der Erzählung erscheinen alle Buchstaben vor dem Herrn und geben gute Gründe an, warum jeweils sie der erste Buchstabe sein sollten. Alle kommen – außer dem Buchstaben Alef. Als der Herr fragt, warum das so sei, erklärt das Alef: »Ich bin doch nur ein lautloser Buchstabe und habe deshalb nichts zu sagen.« Doch der Herr zeichnete die Demut des Alef aus und erklärte es zum ersten aller Buchstaben.

Und dieses Aleph hat es in sich! Ja, es trägt sogar Gott in sich! Denn: Der Buchstabe Aleph ist der erste Buchstabe im hebräischen Alphabet. Dieser Buchstabe Aleph symbolisiert die Gegenwart Gottes! Er repräsentiert Gott als Schöpfer, durch den alles entstand und der über allem steht. Er symbolisiert die Gegenwart Gottes. Er steht für Gottes Präsenz in den durch das Wort mit Aleph formulierten Zusammenhängen und Prozessen. Aleph steht für Konzentration auf Gott. Für ein sich fokussieren auf Gott, mitten in allem, in allem und trotz allem. Ja, damit hat das Aleph auch etwas Verborgenes, etwas Unbegreifliches, Unerklärliches an sich. Denn nicht immer bringt man alles heiter mit Gott in Verbindung. Und dennoch: alles hatte seinen Ursprung in Gott.

Wo nun findet man den Buchstaben Aleph? Noch dazu am Anfang hebräischer Worte? Im Wort für Gott selbst: „Adonai“. Im Wort für Mensch: „Adam“. Im Wort für Frau: „Ischah“. Im Wort für Vater: „Abba“. Auch die Zehn Gebote beginnen mit dem Buchstaben Alef: „anochi …“ – „Ich bin der Herr, dein Gott (…) Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ (2. Buch Mose 20,2). Der Name Gottes, den er Jakob gegenüber genannt hat. Das Wort für Wahrheit beginnt mit Aleph: „omen“ oder „emet“.

Interessanterweise enthalten auch die Worte aus dem 3. Buch Mose, Kapitel 19, Vers 17: „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich lädst.“ auch die wichtigsten Worte ein Alef.  Das hebräische Wort für Bruder heißt Ach = gleich der erste Buchstabe ist ein Aleph, Nächster heißt auch Ach – gleich wieder am Anfang ein Aleph.  Und das Wort für hassen „saneh“ hat ebenfalls ein Aleph in sich!  Das heißt: wenn wir es mit unserem Bruder zu tun haben: haben wir es mit Gott zu tun. Wenn wir es mit unserem Nächsten zu tun haben: haben wir es mit Gott zu tun. Wenn wir es mit Schuld zu haben: haben wir es mit Gott zu tun. Wenn wir es mit hassen zu tun haben: haben wir es mit Gott zu tun. Mich düngt, dass es keinen gottlosen Ort gibt, keine gottverlassene Situation. Nichts, was wir tun, was wir erleben, ist fern von Gott. Oder so, wie es Paulus ausdrückt: „und für wahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“ (Apg 17, 27-28)

Wer sich nun also auf dieses Gebot einlässt, von dem wir heute lesen, der lässt sich nicht nur auf eine menschliche Begegnung ein, sondern auf eine spannende Begegnung mit Gott. Und Begegnungen mit Gott garantieren immer eine Veränderung zum Guten, letzten Endes zum Besten. Gerade dann, wenn es darum geht, sich dem Bruder, dem Nächsten zu nähern, gerade in Situationen, die mit Schuld und Hass zu tun haben! 

Autor/-in: Heiko Bräuning