19.01.2022 / Andacht

Ein strapazierter Glaube

Ein Hindernislauf des Vertrauens.

Meine gefühlt längste Bahnfahrt erlebte ich mit achtzehn Jahren. Damals lag meine Oma im Sterben. Als meine Eltern mich darüber informierten, nahm ich gleich am nächsten Morgen den ersten Zug nach Hause. Ich wollte meine Oma unbedingt noch einmal lebend sehen. Knapp sieben nicht enden wollende Stunden Fahrt lagen vor mir und brachten mich zunehmend unter Druck.  

Unter einem ähnlichen Zeitdruck muss Jairus gestanden haben, von dem in Markus 5 die Rede ist. Er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Leben seiner todkranken Tochter zu retten. Allem Anschein nach ist ihm das nicht gelungen. Dabei hatte die Begegnung mit Jesus so vielversprechend angefangen. Eine Begegnung, für die Jairus alles riskiert hatte.

Meine vermeintlichen Sicherheiten loslassen 

Jairus ist Vorsteher einer Synagoge und den Menschen in der Gegend bekannt. Vermutlich gehörte er zur Gruppe der Schriftgelehrten. Also zu den Menschen, denen Jesus schon länger ein Dorn im Auge ist. Ausgerechnet vor diesem Jesus kniet er jetzt nieder – vor den Augen und Ohren vieler Menschen. Sehr vieler. Welche möglichen negativen Auswirkungen sein Verhalten auf seine berufliche Stellung und sein gesellschaftliches Ansehen haben könnte, ist für ihn zweitrangig. Für sein einziges Töchterchen (Lukas 8,42), das im Sterben liegt, bringt dieser Vater vollen Einsatz.

Die Grenzen meiner Möglichkeiten akzeptieren

Was geht dem mutigen Handeln von Jairus voraus? Es ist seine Bereitschaft, der Realität – seiner Hilflosigkeit – ins Auge zu sehen. Und es ist sein Glaube, dass Jesus seiner Tochter helfen kann. Allein dadurch, dass er ihr die Hände auflegt.

Wie reagiert Jesus auf seine Bitte? Er lässt sich bitten, ohne etwas zu sagen. Weder fragt er, wo Jairus wohnt, noch woran seine Tochter erkrankt ist. Er geht mit Jairus. Einfach so. Ich kann mir vorstellen, dass diese Reaktion von Jesus eine motivierende Erfahrung für Jairus war. Ein ermutigender Auftakt!

Ein Ja zu Gottes Zeitplan finden

Wo Glaube tragfähig werden will, lassen die Herausforderungen nicht lange auf sich warten. So auch bei Jairus. Auf dem Weg zu seiner Tochter kommt eine kranke Frau „dazwischen“. Jetzt, wo doch jede Minute zählt, verschwendet Jesus in diesem Gedränge wertvolle Zeit mit einer derart unwichtigen Frage an diese Frau!

Ich weiß nicht, wie Jairus über das Verhalten von Jesus dachte und was innerlich in ihm vorging. Auf jeden Fall bleibt er dran an Jesus und glaubt weiterhin an dessen Macht zur Veränderung.

Ein entschiedenes Nein zur Entmutigung

Das macht mir Mut, mein Vertrauen nicht zu verlieren, wenn Jesus in einer Krise nicht so handelt, wie ich es mir vorstelle. Ihm auch dann zu vertrauen, wenn es schon erste positive Veränderungen gibt, doch plötzlich alles stagniert. Nicht weitergeht. 

Als Jairus erfährt, seine Tochter sei gestorben, muss diese Nachricht ihn wie ein Schlag ins Gesicht getroffen haben. Sein Glaube wird ein weiteres Mal herausgefordert. Hatte jetzt die kranke Frau die Zeit von Jesus bekommen, die seine Tochter vor dem Tod gerettet hätte? 

Meine inneren Kämpfe sind Jesus nicht egal

Jesus nimmt wahr, wie die Nachricht der Entgegenkommenden auf Jairus wirkt. Er ermutigt ihn mit der liebevollen Aufforderung „Fürchte dich nicht, glaube nur.“ In Anbetracht dessen, was Jarius gerade von den Leuten gehört hat, empfinde ich dieses „Nur“ als sehr herausfordernd. Jairus lässt sich herausfordern und geht den begonnenen Weg mit Jesus weiter. Er glaubt den Worten von Jesus mehr als den anderen Stimmen. Er hält also das für wahr, was für ihn noch nicht sichtbar ist.

Im Zweifel für den Glauben 

Zu Hause bei ihm angekommen, deutet alles darauf hin, dass seine Tochter zwischenzeitlich gestorben ist. Die Umherstehenden weinen. Offensichtlich hatte Jairus die Macht von Jesus völlig überschätzt und die Entgegenkommenden hatten Recht behalten. Es war zu spät.

In die Gedanken von Jairus, welche auch immer es sind, spricht Jesus erneut Worte der Hoffnung: „Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.“ Jairus entscheidet sich ein weiteres Mal, dem zu vertrauen, was Jesus ihm zusagt. Allem Anschein zum Trotz folgt er ihm ins Haus. Diese letzten Meter und das, was Jairus dann erlebt, wird er sicher nie wieder vergessen.

An Jesu Sieg über das Tote in meinem Leben glauben 

Nur durch zwei Worte von Jesus – „Steh auf!“ – darf seine Tochter wieder leben. Jairus macht die Erfahrung, dass Jesus absolut glaubwürdig ist. Dass er zum Leben erwecken kann, was tot ist. Diese Erfahrung hat Jarius sicher nachhaltig verändert und ihn gelassener werden lassen. Auch im Blick auf sein eigenes Sterben.  

Was kann ich aus dieser Geschichte lernen? Mein Glaube wird dort tragfähig, wo ich den Zusagen von Jesus losgelöst von meinen Lebensumständen vertraue. Wenn Jesus mir etwas zugesagt hat, darf ich daran festhalten. Er ist absolut vertrauenswürdig. Im Leben wie im Sterben von Menschen wie Jarius, Sie und mich. 

 

Autor/-in: Franziska Decker

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