09.08.2024 / Bibel heute

Die Speisung der Fünftausend

Und die Apostel kamen bei Jesus zusammen und verkündeten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Und er sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen. Und sie fuhren in einem Boot an eine einsame Stätte für sich allein.[...]

Markus 6,30–44

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Es war noch nicht lange her, dass Jesus seine zwölf Jünger in Zweierteams ausgesandt hatte. Mit klaren Anweisungen hatten sie sich auf den Weg gemacht und fingen an den Menschen zu predigen, dass man Buße tun soll. Darüber hinaus trieben sie auch böse Geister aus „und salbten viele Kranke mit Öl und machten sie gesund“ (Markus 6, 13b).

Nach dieser Predigt- und Heilungstour kamen sie wieder bei Jesus zusammen. Ich kann mir vorstellen, mit welcher Begeisterung sie von ihren Erfahrungen erzählten. Und vielleicht war der eine oder andere Jünger dabei, der es gar nicht abwarten konnte wieder loszuziehen, um ähnliche Dinge zu tun und zu erleben.

Zeit mit Gott

Doch Jesus tat etwas Bemerkenswertes: „… er sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig“ (Markus 6, 31a). Was sollten sie tun? Ruhen? Jetzt, wo sie gerade „einen Lauf“ hatten – wie man so schön sagt. Doch Jesus überblickte die ganze Situation, … auch die Tatsache, dass viele kamen und gingen und sowohl er als auch seine Jünger dermaßen eingespannt waren, dass sie nicht einmal Zeit zum Essen hatten. Deshalb seine klare Ansage: „Geht… und ruht ein wenig“ (Markus 6, 31a). Man könnte vermuten, dass Jesus hier den Rhythmus des christlichen Lebens initiiert hat: Zeit mit Gott verbringen, … in der Gegenwart von Jesus sein; und Zeit im Dienst an den Menschen verbringen, … um dann wieder in der Gemeinschaft mit Jesus zu sein.

William Barclay benennt in seiner Auslegung zum heutigen Bibeltext zwei konkrete Gefahren. Da ist zum einen die Gefahr andauernd aktiv zu sein. Und da ist zum anderen die Gefahr, nur zurückgezogen zu leben. Es braucht einen gesunden Rhythmus zwischen Aktivität für Jesus und Zeiten der Ruhe und Gemeinschaft mit Jesus. Jesus achtete auf diesen Rhythmus in seinem eigenen Leben und Dienst. Und es war ihm wichtig, dass auch seine Jünger diesen Rhythmus einübten. Ähnliches rät auch der Apostel Paulus dem jungen Timotheus, als er ihm im ersten Timotheusbrief schreibt: „Hab acht auf dich selbst und auf die Lehre…“ (1. Timotheus 4, 16a). Auf sich selbst zu achten, … Zeiten der Ruhe einzuplanen, … das ist kein geistlicher Luxus, sondern eine geistliche Notwendigkeit, um einen gesunden Rhythmus für das geistliche Leben zu finden und zu kultivieren.

Zeit fürs Leben

Aus unserem Text erfahren wir allerdings auch: Die Ruhe, die Jesus seinen Jüngern verordnet hatte, war nicht von langer Dauer. Sie waren in ein Boot gestiegen, um an eine einsame Stätte zu fahren, doch die Menschen folgten ihnen zu Fuß nach. Am Ufer angekommen, sah Jesus eine große Menschenmenge „und sie jammerten ihn“ (Markus 6, 34a). Diese Menschen waren offensichtlich weit gelaufen, um bei Jesus zu sein. Und Jesus wies keinen von ihnen ab. Ja, er selbst und seine Jünger hatten die dringend nötige Ruhe gesucht. Doch schon nach einer kleinen Bootstour war es vorbei mit der Ruhe und er war schon wieder am Predigen. Und er tat es, weil er Erbarmen mit diesen Menschen hatte.

So ist Jesus! Kein Mensch ist ihm zu viel! Keine Not zu groß! Er verglich die Menschenmenge, die ihnen am Ufer gefolgt waren mit Schafen, die keinen Hirten haben. Die Menschen waren ihm nicht gleichgültig, … sie jammerten ihn, … und so nimmt er sich die Zeit und predigt ihnen.

Doch je länger Jesus predigte, je mehr begann sich der Tag zu neigen. Es wurde klar – es gibt ein großes, … ganz praktisches Problem! Es gibt nämlich nichts zu essen an diesem einsamen Ort. Die Jünger hatten tatsächlich gleich einen sehr praktischen Lösungsvorschlag parat. Ihr Vorschlag an Jesus war, die Leute fortzuschicken. Sie sollten sich in den umliegenden Dörfern und Höfen etwas zu Essen kaufen. Doch Jesus gibt ihnen eine Rückmeldung, auf die sie nicht vorbereitet waren: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Markus 6, 37b). Was für eine finanzielle und auch logistische Herausforderung! Schließlich waren 5.000 Männer plus Frauen und Kinder zu versorgen. Unmöglich! Doch der Auftrag Jesu war klar: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Markus 6, 37b).

Zeit für Wunder

Als Jesus sie aufgefordert hatte herauszufinden, was an Essen zur Verfügung stand, war das Ergebnis mehr als kärglich – fünf Brote und zwei Fische. Johannes ergänzt in seinem Evangelium, dass die Brote und Fische das Lunchpaket eines Kindes waren, das mit all den anderen Menschen mitgekommen war. Aber was sind fünf Brote und zwei Fische für so viele Menschen? So gut wie nichts!

Dennoch … Jesus fing nicht an, sich bei seinen Jüngern zu beschweren. Er nahm das Wenige und vermehrte es auf unfassbare Weise, sodass am Ende nicht nur alle satt wurden, sondern sogar noch zwölf Körbe voll Brot und auch noch Fische übrig waren. Unfassbar!

Das Wunder der Speisung der Fünftausend muss einen solch starken Eindruck auf die Jünger von Jesus gemacht haben, dass es in der Tat das einzige Wunder ist, von dem alle vier Evangelien berichten. Es ist und bleibt für unseren Verstand unfassbar, was Gott in der Lage ist zu tun!

So erfahren wir aus dem heutigen Bibeltext nicht nur etwas über einen gesunden geistlichen Rhythmus zwischen Einsatz für Jesus und Ruhe in der Gemeinschaft mit Jesus; wir lernen auch: Das Wenige, das wir Jesus geben können, kann in seinen Händen zu unfassbar viel werden.

Zeit für Vertrauen

Jesu Jünger brachten das Wenige, dass sie zur Verfügung hatten, zu Jesus, und er versorgte eine große Menschenmenge damit. Was wäre gewesen, wenn sie es abgelehnt hätten zu helfen? Schließlich war ihnen Ruhe verordnet! Doch statt der Ruhe gab es für sie enorme Herausforderungen. Oder was wäre gewesen, wenn sie die fünf Brote und zwei Fische einfach unter sich aufgeteilt hätten? Sie waren schließlich das Team von Jesus? Doch die Jünger taten das Richtige! Sie brachten das Wenige, das sie hatten, zu Jesus. Und Jesus vermehrte das Wenige, was ihm gegeben wurde.

Ich habe mir oft die Frage gestellt: Wieviel mehr könnte Jesus tun, wenn auch seine heutigen Jünger das Wenige, was ihnen zur Verfügung steht, Jesus geben würden? Die Gospelsängerin Danniebelle Hall bringt es im Song „Ordinary People“ auf den Punkt:

„Wenig wird viel, wenn man es in die Hand des Meisters legt.“

Autor/-in: Pastor Hans-Günter Mohn