09.08.2018 / Wort zum Tag

Die Schlüsselfrage

Jesus sprach zu dem Gesetzeslehrer: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächste

Lukas 10,26–28

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Ein Gesetzeslehrer stellt Jesus die Schlüsselfrage: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ fragt er Jesus. Er testet Jesus. Er will ihn auf die Probe stellen. Aber Jesus durchschaut seine Absicht. Er nimmt den Fragenden ernst. Jesus spricht ihn auf sein Fachwissen an. Als Gesetzeslehrer hat der Fragesteller schließlich das Gesetz des Mose studiert. Er kennt es aus dem FF. Und Jesus holt ihn in seiner Lebens- und Erfahrungswirklichkeit ab. Er fragt den Gesetzeslehrer: „Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?“ Und der zitiert das Gelernte fehlerlos. Er ist Experte. Die Gebote kennt er im Schlaf. Das Doppelgebot der Liebe ist ihm selbstverständlich bekannt. Er kennt die fromme Theorie. Jesus schenkt ihm für sein Fachwissen Anerkennung. Er lobt die richtige Antwort des Gesetzeslehrers. Aber im weiteren Verlauf des Gesprächs zeigt es sich, dass das Kopfwissen des Fragers nicht seine Lebenswirklichkeit erreicht hat. Dieser versucht sich selbst zu rechtfertigen und fragt „Wer ist denn mein Nächster?“. Und auf seine Frage gibt Jesus eine Antwort, die er durch ein Gleichnis illustriert.

„Der Nächste ist immer der, den Gott dir vor die Füße legt. Das ist immer der, der gerade Deine Hilfe und Zuwendung braucht“ sagt Jesus. Und die Sache wird dadurch pikant, dass der unter die Räuber Gefallene,  nicht von den Vertretern des Kultes Erste Hilfe erfährt. Ausgerechnet ein Samariter, erbarmt sich über das Opfer des brutalen Überfalls. Die den Tempelkult feiern und verantworten, sehen Samariter nicht als rechtgläubig an. Der Priester und der Levit machen sich die Hände nicht schmutzig. Aber dieser Samariter packt zu. Er setzt das Gebot der Nächstenliebe in die helfende Tat um. Jesus führt den Gesetzeslehrer in seelsorgerlicher Weise zur Erkenntnis. Er zeigt ihm, wo sein Auftrag liegt.

Wie geht es Ihnen mit dem Doppelgebot der Liebe? Vielleicht ist es Ihnen sehr vertraut. Eventuell kennen Sie es auswendig, aus dem FF.  Möglicherweise haben Sie es im Religions- oder Konfirmandenunterricht gelernt. Ist es nur Kopfwissen, Katechismuswissen und fromme Theorie? Oder prägt und bestimmt es ihr Denken und Handeln? Es ist wie mit dem Führerschein. Auch wer die Prüfung in der Theorie bestanden hat, ist noch lange kein Autofahrer.

Es geht darum, das Gelernte im Alltag anzuwenden und umzusetzen.

In unserer Kirche ist es üblich, dass im Beichtgottesdienst die 10 Gebote vorgelesen werden. Dann folgt als Zusammenfassung des Willens Gottes eben dieses Doppelgebot der Liebe. Im Beichtspiegel soll jeder vor den Beichtfragen sein Leben vor Gott überdenken. Das ist so eine Art geistlicher TÜV. Wenn das Auto beim TÜV in regelmäßigen Abständen überprüft wird, dient das der Sicherheit. Nicht die Lackkratzer, sondern die Schwachstellen und Schadstellen sind da im Blick. Jeder Beichtgottesdienst, jede Überprüfung des eigenen Lebens, dient dazu, das Leben im Licht des Wortes Gottes zu bedenken. Gottes Wort leuchtet hinein, auch in die verborgenen Winkel unseres Lebens. Es deckt auch Schwachstellen und Fehler auf.

Es will uns helfen, Gott von ganzem Herzen, von ganzer  Seele, mit aller Kraft und dem ganzen Gemüt lieben. Das ist ganz entscheidend, Verstand, Vernunft, Gesinnung, Willen, Verlangen und Streben – auf ihn auszurichten.

Aber nicht nur Gott und der himmlischen Welt soll unser Augenmerk und unsere Zuwendung gelten. Wenn der Glaube an den dreieinigen Gott keine Auswirkung auf die konkrete Lebensgestaltung hat, wird er schnell zur frommen Theorie. Deshalb gehört die zweite Hälfte des Liebesgebotes untrennbar mit der ersten zusammen. Was Nächstenliebe bedeutet, wird anschaulich in dem Gleichnis Jesu.

Autor/-in: Dekan Michael Wehrwein