22.02.2016 / Wort zum Tag

Die Perspektive einer himmlischen Heimat

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Hebräer 13,14

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Millionen Menschen erleben gerade, was das heißt: keine bleibende Stadt zu haben. So wie Sarah, die mit ihrer Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen ist und alles zurücklassen musste, was sie sich dort bereits aufgebaut hatte: Familie und Freunde, Haus und Ausbildung. Träume und Erinnerungen. In Deutschland zu leben ist für sie nur ein Übergang, sagt sie. Sie will wieder zurück, sobald es möglich ist. Weil sie sich nach ihrem Zuhause sehnt, das es so gar nicht mehr gibt, aber trotzdem – es lag irgendwo in Syrien. Sie sind geflohen, weil sie nach einer Zukunft für sich und ihre Kinder suchen – aber diese Zukunft ist mehr als ungewiss, selbst, wenn sie hier einigermaßen sicher sind.

Wer sein Zuhause verliert, der verliert seine Gegenwart, die Sicherheit des Alltags. Aber er verliert auch ein Stück seiner Vergangenheit. Orte und Gegenstände, an die sich Erinnerungen knüpfen, mussten sie zurücklassen, und geliebte Menschen werden sie vielleicht nie wiedersehen.

Angesichts der vielen Menschen, die zu uns fliehen und die alles verloren haben, geht auch bei uns eine Furcht um, dass sich auch unsere Lebensbedingungen dramatisch ändern könnten. Vielleicht, nein, wahrscheinlich wird auch bei uns nicht alles so bleiben können, wie es ist. Das macht vielen Menschen Angst. Weil die Zukunft dann ja auch für uns ungewiss ist. Wir bemühen uns so sehr, unser Leben und unsere Lebensbedingungen abzusichern. Wir sind Versicherungsweltmeister.

Aber allen Bemühen zum Trotz wird sich unser Leben trotzdem verändern, werden Menschen und Orte, die wir lieben, aus unserem Leben verschwinden und auch wenn wir uns noch so sehr absichern, ist doch alles, was wir aufbauen letztlich vergänglich.

Darüber kann man nun klagen, oder dagegen ankämpfen, oder es als Bedingung des Lebens akzeptieren, die uns zwar Angst macht, die uns aber auch den Blick öffnet für eine Wahrheit hinter dem Offensichtlichen.

Auch zu Gott selbst scheint diese Heimatlosigkeit auf der Erde dazuzugehören: im Alten Testament wohnt er in einem Zelt, damit man die Zeichen seiner Gegenwart schnell einpacken und mitnehmen kann, wenn man weiterziehen muss. Und als er einen Tempel bekommt, in dem er dauerhaft wohnen kann, wird dieser dramatisch zerstört und seine Leute in ein anderes Land verschleppt. Als Flüchtling macht sich Gott mit den Flüchtlingen seines Volks auf den Weg ins Ungewisse. Und im Neuen Testament kommt Gott als Flüchtlingskind in einem Stall zur Welt, muss weiter fliehen und hat Zeitlebens keinen Ort, wo er seinen Kopf hinlegen kann.

Wenn es also zu Gottes Wesen gehört, auf Erden unbehaust zu sein, vielleicht kann es uns Gott näher bringen, wenn wir die Vergänglichkeit unserer irdischen Städte nicht verdrängen, sondern sie bejahen und sogar positiv einüben, ja sie suchen, so wie es heute in der Losung heißt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Wie könnte das aussehen, wenn wir eine solche zukünftige Stadt suchen würden? Wenn wir uns also an himmlischen Werten und am göttlichen Wesen orientieren würden?

Ein schönes Bekenntnis zu einem solchen Lebensstil habe ich von einem Menschen aus Indien gelesen: „Wenn du ein Haus besitzt, genieße es, solange du es hast. Unsere Herzen aber leben immer in einem Zelt. Nicht der Besitz, sondern die Menschen, mit denen wir leben, sind für uns aller Mühe wert.“

Die Perspektive einer himmlischen Heimat befreit Herzen aus den Mauern der Angst und gibt ihnen die Freiheit, wieder wie im Zelt zu leben, so wie es den Herzen eigentlich entspricht. In dieser Weite werden wir zu Verbündeten der Heimatlosen und zu Verbündeten Gottes.

Autor/-in: Pastorin Kerstin Offermann