05.11.2011 / Themenwoche Ehe und Partnerschaft

Die Eheretter

Wenn die Ehe in Gefahr ist, sind sie oft der letzte Ausweg: die Eheberater. Aber wie wird man Eheberater und was können sie wirklich erreichen?

Herr Arnold, Sie sind Leiter von TEAM F. einem Verein, der Seminare und Beratung rund um das Thema "Ehe und Familie" anbietet. Was macht ein Eheberater eigentlich, wie sieht so ein typischer Arbeitsalltag aus?

In der Regel so, dass Paare oder Einzelpersonen zur Beratung kommen und ich dann über den Tag verteilt – in Extremfällen – vier bis sechs Gespräche hat. Ich schaue dann, wie kann man die Ehe mit dem Paar wieder auffrischen und gehe dann mit dem Paar auf Tauchstation. Das heißt: Wo liegen die ganzen Dinge vergraben, die Stagnation in die Ehe gebracht haben?

Wie kommt man zu dem Beruf?

Unsere Ehe war recht jung, als wir das erste Mal selbst ein Seminar bei TEAM F. gemacht haben. Wir waren etwa sieben Jahre verheiratet. Mir sind nicht Welten aufgegangen, aber meiner Frau. Sie hat sofort gemerkt, was alles im Argen liegt. Dann haben wir Stück für Stück während des Seminars viel miteinander geredet. Wir haben Dinge aus ganz neuer Perspektive angeschaut und haben gemerkt: Ehe ist Arbeit, das läuft doch nicht von alleine.

Aus dieser eigenen Betroffenheit heraus haben wir dann überall geschwärmt, wie toll das Seminar war, bis ein Freund gesagt hat: „Fangt doch mal an, so ein Seminar anzubieten!“ Das haben wir dann gemacht, im Frühjahr 1988. Bei diesem Seminar waren auch zwei Ehepaare dabei, bei denen ein Partner nicht gläubig war. Und während dieses sehr anstrengenden Wochenendes haben sich diese beiden Menschen für Jesus entschieden. Angestoßen durch die Ehethematik und die Dynamik dahinter. Das war natürlich ein richtiger Schub. Wir haben gemerkt, dass das Spaß macht, dass da etwas dabei herauskommt und dass dadurch Reich Gottes gebaut wird. Und zwar auf eine Art und Weise, wie wir das vorher gar nicht gekannt hatten.

Welche Ausbildung brauche ich, um ein guter Eheberater zu werden?

Es gibt bestimmt eine ganze Menge guter Eheberater, die eine gute Ausbildung haben und wir haben uns im Laufe der Jahre auch an vielen Weiterbildungskursen beteiligt. Aber ich denke, es ist vor allem die Praxis, die man mitbringt, die eigene Lebenserfahrung. Wir merken, dass der Alltagsbezug sozusagen das Know-how ist, das wir mitbringen Das ist wesentlich wichtiger als eine gute Ausbildung. Wir hören immer wieder mal, dass manche Paare vom Ehetherapeuten kommen und sagen: „Das hat uns nicht weitergebracht, das war uns zu theoretisch!“ Als TEAM F. sind wir eine Laienbewegung und wollen das auch bleiben. 

Was war Ihr schönster Beratungserfolg?

Ich denke nicht an ein spezielles Paar. Aber immer wenn meine Frau und ich Paare nach Jahren – vielleicht manchmal sogar nach Jahrzehnten – wiedertreffen und die dann sagen: „Ohne das Gespräch, ohne die Beratung damals, wären wir heute nicht mehr zusammen“ Dann sage ich: Es hat sich gelohnt!

Wo liegen die Grenzen der Eheberatung?

Ich sehe so eine Grenze, wo gewisse Krankheitszüge eine Rolle spielen. Wenn jemand wirklich massiv in der Depression drin hängt und trotz Medikamenten keine Stabilisierung erfährt. Oder wenn ein Partner absolut nicht will. Selbst, wenn er die ganze Zeit zur Beratung mitkommt und man scheinbar mit ihm konstruktiv arbeiten kann, aber unterm Strich dann die Aussage kommt: „Ich hab eigentlich gar keine Lust mehr!“

Wir können nur auf gewisse Dinge hinweisen und versuchen, kluge Fragen zu stellen. Das ist wohl die Hauptarbeit eines guten Eheberaters - Fragen, die herausfordern und es auf den Punkt bringen. Wir können nicht sagen: "Macht das jetzt so und so und probiert mal dies oder jenes aus!"

Gibt es Situation, in denen eine Ehe so verfahren ist, dass selbst Sie sagen würden, dass eine Scheidung oder eine Trennung - vielleicht erst mal nur auf Zeit - das Richtige ist?

Wenn wir merken, dass wir nach mehrmaligen Versuchen nicht weiterkommen, dann beschäftigen wir uns natürlich mit dem Gedanken, ob eine Trennung auf Zeit vielleicht etwas ist, was die Paare oder eine Einzelperson zur Ruhe bringt und eine Standortbestimmung ermöglicht. Das ist etwas, was wir - zwar vorsichtig – doch aber immer wieder mal empfehlen.

Und manchmal kommen wir auch zu dem Schluss, dass die Beiden sind so unterschiedlich sind und dann vielleicht auch noch so unbeweglich und festgefahren in ihrer Haltung und Meinung, dass wir sagen: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Was sind die Hauptgründe, die einer glücklichen Beziehung oder Ehe im Weg stehen?

Ein Riesenbereich ist die persönliche Prägung. Auch wenn Personen aus einem ähnlichen sozialen Hintergrund kommen, stammen sie immer noch aus verschiedenen familiären Systemen. Man muss Familie als System sehen, so wie ein Perpetuum Mobile, bei dem man ein Element antippt und sich das dann Ganze in einer bestimmten Art und Weise dreht und wieder neu aufeinander ausrichtet. Diese beiden verschiedenen Systeme müssen in Einklang gebracht werden.

Da geht es um unterschiedliche, im Unterbewusstsein abgelegte Wahrheiten, wie zum Beispiel: „So und so ist Liebe“, „In einer guten Beziehung zu leben, bedeutet dies und jenes“ oder „Auf diese oder jene Art und Weise steht man für Familie ein“. Aufgrund dieser inneren Wahrheiten hat jeder seine private Logik. Das führt zu vielen Missverständnissen und Machtkämpfen. Wir nennen das „Der Einfluss der Herkunftsfamilie", so heißt auch ein Seminar, das wir zu dem Thema anbieten. Da geht es darum, sich den Familienhintergrund anzuschauen und erst einmal zu klären: Was bringe ich selbst an Beziehungsunfähigkeit mit, was erwarte ich von meinem Partner und wie prallt das aufeinander? Diesen großen Komplex der Altlasten sehe ich als Hauptgrund für viele Probleme in der Ehe an.

Besteht dann also die Aufgabe erst einmal darin, sich besser kennen zu lernen, damit man dann auch den Partner neu kennen und wertschätzen z zu lernen?

Ja, es geht darum, sich besser kennen zu lernen, seine Altlasten zum Kreuz bringen, zu Jesus und Vergebung für Dinge zu erfahren, die mir vielleicht total unbewusst waren. Entscheidungen, die bereits in jungen Jahren getroffen wurden, etwa in der Art: „Ich werde nie Gefühle zeigen!“ Wenn man so eine Altlast mit in die Ehe nimmt, dann hat das natürlich Auswirkungen. Dann braucht sich eine Frau zum Beispiel nicht zu wundern, dass sie an ihren Mann nicht herankommt und sein Herz nie erreicht.

Wie kommt man diesen Wahrheiten auf die Spur, die man verinnerlicht hat und dann entsprechend lebt?

Man muss entsprechende Themen durcharbeiten. Bei unserem Seminar "Versöhnt leben - Beziehungen klären" geht es zum Beispiel um sieben verschieden Themen. Und da gibt es viele Teilnehmer, die sagen: „Ich komme überall vor. Mein Familienhintergrund hat es nicht so gut gemeint mit mir.“

Was sind das für Themen?

Es geht zum Beispiel darum, wie wir mit Frustration umgehen. Entscheiden wir uns für den Weg der Bitterkeit? Oder ist man bereit, diese Dinge eher konstruktiv anzusehen und später mit Vergebung darauf zu reagieren? Diese Muster werden in der Kindheit gelegt.

Dann haben wir das Thema: Wie Gott unser hartes Herz erneuert. Es geht darum, zu entdecken, wie wir uns oftmals einmauern lassen oder einen Betonriegel vor unserem Herz installieren, um nicht mehr verletzt zu werden.

Die Vaterliebe Gottes ist natürlich auch ein sehr zentrales Thema. Bin ich wirklich der tiefen Überzeugung, dass Gott mich liebt oder bin ich immer noch der Meinung, ich muss mir diese Liebe verdienen? Wir reden darüber, was es bedeutet, Vater und Mutter zu ehren.

An dem Punkt kommen Menschen oft zu der Erkenntnis: Ich bin zwar ausgezogen, aber eigentlich bin ich nicht abgenabelt. Ich habe mich nicht wirklich losgelöst vom Elternhaus. Das kann ein mächtiges mögliches Bollwerk in der Beziehung sein.

Welche Fragen sollte man unbedingt geklärt haben, bevor man heiratet?

Bin ich bereit, permanent an mir und an meiner Beziehung zu arbeiten? Das sollte man sich vorher überlegen. Hat man das Verständnis dafür, dass das harte Arbeit ist? Oder sagt man: „Ach komm, wir machen mal und schauen einfach, was passiert. Die Leute um uns herum sind auch nicht so glücklich, aber sind immer noch zusammen.“

Wenn ich wirklich eine erfolgreiche Ehe führen will, muss ich an meiner Beziehung arbeiten. Nur dann komme ich an den Punkt, an dem ich irgendwann sagen kann: Wir haben etwas Qualitatives geschaffen. Das sieht ganz anders aus als bei jedem anderen Ehepaar. Aber wir haben es geschafft, unser Miteinander zu gestalten und können unsere Ehe wirklich als ein gemeinsames Projekt ansehen.

Was ist eine erfolgreiche Ehe?

Eine erfolgreiche Ehe ist für mich eine Ehe, die immer wieder bereit ist, sich zu hinterfragen und ihre Probleme anzuschauen. Ohne diesen Problemkomplex geht es nicht. Insofern würde ich sagen, dass eine erfolgreiche Ehe eine Ehe ist, die es gelernt hat, beziehungsfähig zu werden. In der man es gelernt hat, immer wieder auf den anderen zuzugehen und immer wieder zu verzeihen. Die Beziehungsfähigkeit einer erfolgreichen Ehe basiert auf Vergebung. Die unmögliche Art meines Partners ist der beste Weg G ottes, um Schwachstellen in meiner Persönlichkeit aufzuzeigen. Mein Partner kitzelt das raus. Ich glaube, es ist ein Erfolg, wenn ich einem Menschen gestatte, so nah an mir dran zu sein, das er genau hinsehen darf und ich dann sage – ohne dass mir der berühmte Zacken aus der Krone fällt: „Jawohl Schatz, du hast Recht, da muss ich noch an mir arbeiten.“


Weitere Infos: www.team-f.de

Füreinander geschaffen?: - Stephan Arnold zu Gast bei wirklich.