11.07.2024 / Bibel heute

Die Demütigung des Volkes

Am nächsten Morgen sprach Mose zum Volk: Ihr habt eine große Sünde getan; nun will ich hinaufsteigen zu dem HERRN, ob ich vielleicht Sühne erwirken kann für eure Sünde. Als nun Mose wieder zu dem HERRN kam, sprach er: Ach, das Volk hat eine große Sünde getan, und sie haben sich Götter von Gold gemacht. Vergib ihnen doch ihre Sünde; wenn nicht, dann tilge mich aus deinem Buch, das du geschrieben hast.[...]

2. Mose 32,30 – 33,6

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Wenn ich Menschen eine Sünde oder Verfehlung nachweise, ist das meist eine unschöne Angelegenheit. Derjenige fühlt sich in der Regel persönlich berührt und geht in sich oder in eine Abwehrreaktion. So wird es wohl auch dem Volk Israel zur Zeit von Mose gegangen sein. Das Volk fühlte sich überführt. Aaron hatte ihnen ein goldenes Kalb als Ersatzgott gefertigt, da Mose zu lange auf den Berg Horeb gegangen war, um mit Gott zu sprechen. Dort empfing er von Gott die Gesetzestafeln. Dieses Kalb sollte nun vor ihnen herziehen und sie wollten es als Ersatzgott anbeten. Gott hatte Mose auf dem Berg auf diese Übertretung seines Volkes hingewiesen. Als er wieder ins Lager kam, hatte er sie dafür gescholten und die Übertretung ihnen vorgeworfen. Kleinlaut waren sie geworden. Aaron log vor Mose auf die Frage hin, wie das Kalb zustande gekommen ist. Er habe das Gold ins Feuer geworfen und es sei „geworden“. Er wusste ja genau, dass er es selbst gemacht hatte. Man hätte annehmen müssen, dass das jüdische Volk sich zu seiner Schuld bekennt; vielleicht ein Sühneopfer bringt. Dies wird aber nicht erwähnt.

Mose hatte das Kalb zerstört und es in kleine Stücke zermahlen und ihnen mit Wasser zu trinken gegeben. Dies als ein Zeichen, dass von dem Götzenkalb keine Kraft ausgehe.  Als Mose auf dem Berg wieder zu Gott redete, bat er ihn um Vergebung. Er wollte lieber für sie aus dem Buch des Lebens getilgt werden. Gott nahm aber das Angebot nicht an und wollte dafür das Volk vernichten. Er wirft Mose vor, dass sein Volk verderbt und halsstarrig sei. Ein anderes Volk wollte er sich an ihrer statt auserwählen.

Wie in einem Geschachere wirft Mose Gott vor, dass es sein Volk sei, das so böse und abtrünnig geworden ist. Aus zwei Gründen bittet er um Gottes Gnade. Zum einen aus dem Ansehensverlust Gottes vor dem Pharao und zum zweiten, weil Gott den Patriarchen versprochen, habe aus dem Volk ein großes Volk zu machen. Gott wird gewissermaßen einsichtig. Daraufhin weist Gott Moses Angebot zurück, ihn aus dem Buch des Lebens zu tilgen. Gott straft sein Volk. Kein gutes Wort, das Mose für das Volk einlegt, hilft dem Volk. Gott strafte die Menschen, die bei der Anbetung mitgemacht hatten, mit dem Tode.  Moses Strafe war, dass er später nicht in das Land mit einziehen durfte, in dem Milch und Honig flossen, das Gott für sie vorgesehen hatte. Eine neue Generation erst durfte das Heilige Land betreten. Gott sagt Mose aber zu, dass er nicht mit seinem Volk sein werde. Als Strafe sollten sie keinen Schmuck mehr tragen seit sie am Berg Horeb waren, um das Ereignis zu sühnen.

Umgang mit der Schuld

Daraufhin wird das Volk traurig. Sie legten keinen Schmuck an. Gingen sie wirklich in sich? Haben sie gesühnt?  Gott ordnet an, dass Sie ihren Schmuck ablegen sollen und sie tun es. 

Es sieht so aus, als ob Gott nicht zu seinem Worte stehen würde, sein Volk zu strafen.  Gottes Güte ist es, dass er mit seinem Volk immer wieder aufs Neue einen Neuanfang beginnt. So darf das Volk Israel weiter bestehen und weiterziehen, bis sie das von Gott verheißene Land erreichen.

Wie gehen Sie mit Schuld um? Der Theologe Helmut Thielicke schildert  in seinen Büchern einen Vergleich wie der Pharisäer und der Zöllner im Neuen Testament  im Tempel beten und sich zu Gott bekennen. Der Pharisäer ist hochmütig und erhebt sich in seinem Gebet über den Zöllner, in dem er sagt „ich bin nicht wie dieser Zöllner“. Der Zöllner dagegen macht sich klein und bekennt vor Gott: „Sei mir Sünder gnädig“.

Gebete können wie eine fromme Masche werden, wenn sie nicht ehrlich sind, wie beim Zöllner. Die Demut wird dann zu einer Form von Leistung gemacht. Das Schlagen an die eigene Brust kann eine raffinierte Koketterie werden. „Seht her, wie ich meine Schuld bekenne!“ Manche machen sich klein, wenn sie Schuld auf sich geladen haben. Andere versuchen das Geschehene als eine Bagatelle hinzustellen. Manchmal müssen andere als Schuldige herhalten. Oder die Situation wird so dargestellt, dass ich halbwegs günstig dabei herauskomme. Es war halt ein Versehen.

Das erkennt Gott nicht an. Er kennt uns und weiß, wie wir in diese Situation gekommen sind und was wir gemacht haben. Er ist bereit, uns zu verzeihen. Durch seinen Sohn Jesus Christus hat er die Sünde getilgt, auch meine und Ihre. Er bietet uns einen Neuanfang an, wenn wir aufrichtig unsere Schuld bekennen.

So ist auch für das Volk Israel zu hoffen, dass sie mit dem Ablegen ihres Schmuckes ihre Schuld bekannt haben und sie gesühnt haben. Denn aus der Geschichte mit Gottes auserwähltem Volk können wir sehen: Gott hat über die Jahrtausende seine Hand nicht von ihm genommen. Er hat ihnen sogar einen Retter in Form seines eigenen Sohnes geschickt, um für immer für ihre Schuld zu sühnen. Und das gilt auch für uns. Gott dürfen wir unsere eigenen Übertretungen und Sünden anvertrauen. Er kennt sie sowieso schon. Er wird uns von den Sünden befreien und seine Vergebung zusprechen. Davon bin ich überzeugt.

Autor/-in: Michael Barth