07.08.2024 / Bibel heute

Die Aussendung der Zwölf

Und er rief die Zwölf zu sich und fing an, sie auszusenden je zwei und zwei, und gab ihnen Macht über die unreinen Geister und gebot ihnen, nichts mitzunehmen auf den Weg als allein einen Stab, kein Brot, keine Tasche, kein Geld im Gürtel, wohl aber Schuhe an den Füßen. Und zieht nicht zwei Hemden an![...]

Markus 6,7–13

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„Und er rief!“ Komischer Anfang eines Abschnitts, oder? Wer ruft da – und was war vorher? Es ruft mal wieder Jesus. Jesus! Was passiert, wenn Sie dieses Wort hören? Wer ist der, von dem hier die Rede ist? Wenn ich die ersten fünf Kapitel des Buches von Markus überfliege, sehe ich: Hier wird anders als beim Lukas- oder Matthäusevangelium keine Geburtsgeschichte erzählt.

Johannes und Jesus

Erzählt wird die Geschichte von Johannes, eines engen Verwandten von Jesus. Viel wichtiger als die Verwandtschaft ist aber seine Aufgabe. Er fungiert als Vorbote von Jesus. Johannes kündigt ihn an und Jesus wird sein ungleich größerer Nachfolger. Die erste Amtshandlung von Jesus ist jetzt aber nicht, dass er klarmacht: Hoppla, jetzt komm ich und ich mach alles besser als du. Jesus stellt sich hinten an, er geht zu Johannes als Bedürftiger. Jesus begehrt die Taufe von Johannes. Jesus braucht den Geist, die Kraft Gottes. Er zeigt mir: Ich brauche diese Kraft auch. Wie oft versuche ich aber, mich ohne sie durchzuschlagen. Jesus braucht auch die Zusage, die er bei seiner Taufe von Gott bekommt: Du bist mein geliebter Sohn, du bist der, der auserwählt wurde. Dein Auftrag: Gehe zu deinen Menschen. Jesus wurde auserwählt, weil die Geschichte Gottes mit uns Menschen noch nicht auserzählt war. Deshalb kam Jesus zu uns Menschen.

Die Kraft Gottes

Ganz am Anfang musste er sich aber auch schon mit Widerständen auseinandersetzen. Markus deutet die Geschichte der Versuchung von Jesus nur an. Kaum hat er die Kraft Gottes erhalten, wird klar, wie sehr er die braucht. Jesus braucht die Kraft Gottes und er braucht die Menschen, die er beruft. Jesus schart Menschen um sich, weil er nicht allein sein will. Jeder Mensch braucht nahestehende Menschen, auch der Sohn Gottes. Auch andere Menschen sind von ihm beeindruckt, weil er ein Wort von Gott hat. Ein Wort, das jedes menschliche Einordnungsvermögen weit übersteigt und überragt. Worte von Jesus dienen nicht der Unterhaltung im Sinne von Berieselung. Sein Wort knallt rein, es wirkt! Besonders zeigt es seine Macht da, wo es auf Widerstand stößt. Wenn Jesus spricht, muss das Böse weichen. Von Dämonen heißt es, dass sie in seiner Gegenwart nicht zu Wort kommen. Am Ende von Kapitel 1 heißt es noch: Jesus sucht das intime Gespräch mit seinem Vater. Seine Freunde kommen dann ganz aufgeregt zu ihm: „Alle suchen dich!“

Oh, wenn das nur immer gelten würde. Wie viel anders sähe unsere Welt aus, wenn das so wäre. In der Zeit war es so. Alle suchten ihn und alle wurden zu Jesus gebracht. Und Jesus sucht alle Menschen auf. Das ist bis heute so geblieben.

Jesus sucht alle

Auch die ganz Armen und die ganz Reichen. Das wird im Kapitel 2 bei Markus berichtet. Was für ein Drama, dass in vielen Gemeinden diese Menschen nicht vorkommen. In Kapitel drei werden dann die Jünger berufen. Schülerinnen und Schüler. Sie sind Lernende und dazu brauchen sie einen Lehrenden. Der heißt im Judentum Rabbi. Das bedeutet wörtlich: Mein Großer. Was für eine wunderschöne Zuschreibung. Dann muss ich nicht aus mir heraus groß und stark sein. Ich darf mich an meinen Großen anlehnen. Jünger sind Schüler, die zu ihrem Herrn gehören. Sie haben keinen Feierabendkurs zum Thema „Glaube“ belegt. Sie gehen nicht zur Erwachsenenbildung, um bei einem Thema schlauer oder kompetenter zu werden. Jünger sind Vollzeitschüler und machen ihr Leben abhängig von ihrem Lehrer. Sie leben mit ihm und hängen ihr Leben an seins. Das können sie, weil sie ihm total vertrauen. Sie erleben ihn in jeder Situation, er verbirgt nichts vor ihnen. Im Buch von Markus Kapitel drei Vers 14 heißt es: „Er setzte zwölf ein, dass sie bei ihm sein sollten und dass er sie aussendete zu predigen und dass sie Vollmacht hätten, die bösen Geister auszutreiben“.

Niemals allein

Genau daran knüpft der Text aus Markus sechs an, den Sie eben gehört haben. „Und er rief die zwölf zu sich, je zwei und zwei, und gab ihnen die Macht über die unreinen Geister“. Immer zu zweit! Allein geht man ein. Das gilt sogar für Jesus, wie Sie vorher schon gehört haben. Wenn das schon für ihn gilt, wie viel mehr für uns. Die Jünger brauchen die Kraft Gottes, sie brauchen sich gegenseitig – und sonst brauchen sie so gut wie nichts. Noch nicht mal ein Zweithemd. Das galt damals schon als Ausdruck von Reichtum. So wie die Jünger daherkamen, lud man sie gerne ein. Sie hatten eine gute Bedürftigkeit ausgestrahlt. Sie waren das wandelnde Gegenteil von „Ich brauch und will nichts von dir, ich habe selber schon alles“.

Außerdem strahlten die Jünger durch ihr Auftreten aus, dass sie täglich alles von ihrem Schöpfer erwarteten. Deshalb brauchten sie auch weder Proviant noch Vorratstasche. Genau im Zentrum des Textabschnitts steht eine sehr seltsam anmutende Aufforderung: „Wenn ihr in ein Haus gehen werdet, da bleibt, bis ihr von dort weiterzieht“. Bleibt, bis ihr wieder geht. So mache ich es eigentlich meistens. Nachdem ich gegangen bin, bleibe ich selten länger noch irgendwo. Oder doch? Es gibt immer wieder etwas, dass mich verfolgt. Ich bin schon lange nicht mehr dort. Das dort Erlebte verfolgt mich aber auch andernorts. Das ist hier aber eher nicht gemeint. Auch nicht der richtige Vorschlag, dass man da, wo man gerade ist, ganz sein soll. Es soll nicht darum gehen, in Gedanken nicht schon weiterzuwandern. Ich verstehe es so, dass die Jünger ganz dort sein sollen, wo man sie an einem Ort zuerst aufnimmt. Sie sollen nicht im Ort herumsuchen, ob es dort vielleicht noch etwas Besseres gibt. Sie sollen nicht wie beim Reisebuchen tausendmal überlegen, ob sie auch das richtige ausgewählt haben. Sie sind da richtig, wo Menschen etwas von Jesus hören wollen. Dort, wo Menschen nichts hören wollen, sind sie dann eben genauso falsch. Das Schuhe-Ausschütteln ist das sichtbare Zeichen davon. Die Jünger sollen es auch von sich abschütteln und sich von der Ablehnung nicht verrückt machen lassen.

Die Nähe Gottes

Üppig eingeladen und abgelehnt werden soll sie beides nicht verfolgen und abhängig machen. „… und [so] zogen sie aus und predigten, man solle Buße tun, und trieben viele böse Geister aus und salbten viele Kranke mit Öl und machten sie gesund“. Ganz am Ende des Textes tauchen noch einmal die bösen Geister auf. Auf die könnte ich als Leser und Ausleger solcher Texte echt verzichten. Die braucht kein Mensch. Und doch gibt es sie. Ignorieren hilft nicht. Es ist auch nicht die Frage, ob mir Böses begegnet, sondern wie es mir begegnet. Mit der Krankheit ist es dasselbe. Entscheidend ist, dass ich mit allem zu Jesus komme. Unter „Böse Geister“ verstehe ich alle Geister, die mich davon abhalten, im Frieden mit Gott zu leben. Jede und jeder weiß selbst am besten, was das alles sein kann. Damit komme ich noch einmal zum Stichwort „Jünger“ oder „Jüngerin“ zurück. Jüngerinnen und Jünger Jesu zeichnet aus, dass sie von Jesus berufen sind. Sie suchen Jesu Nähe, um von ihm zu lernen. Das mache ich nicht immer. Ich sehne mich aber danach, viel mehr bei Jesus zu sein. Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir die Gegenwart von Jesus heute suchen. Dass wir erleben: Jesus ist größer und stärker als alle bösen Geister und Krankheiten. Er hilft uns heute in unserem großen Kampf und in den kleinen Kämpfen, bis bei Jesus im Himmel einmal alles Kämpfen aufhören wird.

Autor/-in: Jochen Schenk