14.04.2019 / Serviceartikel

Der Kampf um den Schöpfungsbericht

Wie passen Bibel und Wissenschaft zusammen? Es gibt verschiedene Ansätze.

Charles Darwin schrieb einmal über seine eigene Theorie: „Die Annahme, daß (sic) sogar das Auge mit allen seinen unnachahmlichen Vorrichtungen, um den Focus (sic) den mannigfaltigsten Entfernungen anzupassen, verschiedene Lichtmengen zuzulassen und die sphärische und chromatische Abweichung zu verbessern, nur durch natürliche Zuchtwahl zu dem geworden sei, was es ist, scheint, ich will es offen gestehen, im höchsten möglichen Grade absurd zu sein.“ Bis heute hat sich nichts an dieser Feststellung geändert. Selbst hartgesottene Atheisten wie Richard Dawkins scheinen geradezu verärgert darüber, dass die Komplexität des Lebens die „starke Illusion“ hervorruft, designt worden zu sein.

Christen glauben, dass es sich dabei nicht um eine Illusion handelt, sondern das Offensichtliche zutrifft. So heißt es im apostolischen Glaubensbekenntnis. „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ In diesem Punkt sind sich Protestanten, Katholiken und Freikirchler ausnahmsweise einig. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, wie er es gemacht hat. „Es werde Licht“: War das der Urknall? Hat Gott die Evolution als Instrument benutzt? Oder hat er mit dem Finger geschnipst und Adam stand fix und fertig im Garten Eden? In diesem Artikel geben wir eine Übersicht über die vier wichtigsten Schöpfungstheorien.

Vertreter dieser Auffassung lehnen die Evolution nicht ab. Im Gegenteil, viele verteidigen sie vehement. Und doch sind sie überzeugt, dass Gott seine Finger im Spiel hatte. Bekanntester Vertreter der theistischen Evolution ist wohl Francis Collins. Er war Chef des Humangenomprojekts und unter seinen zahlreichen Auszeichnungen befindet sich der höchstdotierte Medizinpreis der USA. Für Collins sind Urknall und Evolution eine Idee Gottes, damit sich das Leben und der Mensch entwickeln konnten. Zum Glauben an den christlichen Gott kam der „abscheuliche Atheist“, wie er sich rückblickend selbst bezeichnet, beim Wandern in den Bergen. Er sah einen zu drei Säulen gefrorenen Wasserfall, den er in jenem Moment als eine Offenbarung des dreieinigen Gottes wahrnahm. Seitdem hat er mehrere Bücher über die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Glauben geschrieben. Für ihn lassen sich immaterielle Phänomene wie beispielsweise das moralische Empfinden des Menschen nicht durch natürliche Prozesse erklären. Er akzeptiert jedoch sowohl die Theorie, dass alle Lebewesen von einem ersten Einzeller abstammen, als auch die allgemein vertretenen Theorien zur Entwicklung des Menschen und die Datierung des Universums auf ein Alter von circa 13,8 Milliarden Jahren.
 

Die Intelligent-Design-Bewegung wird von oben genanntem Francis Collins scharf kritisiert, da sie die Mechanismen der Evolution für ungeeignet hält, um das Leben zu erklären. In den USA wird die Frage von Schöpfung und Evolution viel öffentlicher diskutiert als in Deutschland: In Fernsehshows zum Beispiel -aber auch vor Gericht. Die ID-Bewegung möchte, dass nicht nur darwinistische Evolution an Schulen gelehrt wird, sondern auch die vielen Probleme der Theorie angesprochen und Alternativen aufgezeigt werden. Im sogenannten „Dover Trial“ musste sie diese Auffassung vor dem amerikanischen Bundesgericht verteidigen, wo sie unterlag. Vertreten wird Intelligent Design vor allem vom Discovery Institute in Seattle. Zu den prominentesten Wissenschaftlern des Instituts zählen William Dembski, Paul Nelson, Stephen C. Meyer oder Michael Behe, der in den 90er Jahren durch sein Buch „Darwin’s Black Box“ bekannt wurde. Darin stellt er sein Konzept der irreduziblen Komplexität vor, das weltweit bekannt wurde und erbitterte Debatten auslöste.

Argumente für Intelligent Design

Irreduzible Komplexität ist schnell erklärt: Ein System aus mehreren Teilen, bei dem jedes Teil für die Gesamtfunktion benötigt wird, ist irreduzibel komplex. Als Beispiel führt Behe die klassische Mausefalle an: Wenn man einen Teil davon entfernt, kann man keine Mäuse mehr fangen. Behe schlussfolgert: Da es in der Natur von irreduzibel komplexen Systemen nur so wimmle, können diese nicht schrittweise entstanden sein. Denn sie müssen sofort fertig und voll funktionsfähig gewesen sein, damit die natürliche Selektion funktionieren kann. Jeder Schritt muss einen Vorteil im Überlebenskampf bringen. Man kann sich zum Beispiel fragen: Wie soll eine Venusfliegenfalle schrittweise entstanden sein? Was nützt der Fangmechanismus, solange die Pflanze nicht an der richtigen Stelle auch Verdauungssäfte produziert? Die Falle muss also von Anfang an voll funktionstüchtig gewesen sein. Nur, was sofort eine Funktion hat, kann durch natürliche Selektion weitergegeben werden. Denn ohne Designer gibt es niemanden, der vorausplanen könnte. Alles ist zufällig.

Und wer ist der Designer?

Da Intelligent Design den Anspruch hat, rein wissenschaftlich zu argumentieren, definiert es nicht, wer dieser besagte Designer ist. Es könnte sich theoretisch um Allah, Aliens oder auch das Spaghettimonster handeln. Die Glaubensüberzeugungen der Wissenschaftler beim Discovery-Institute sind unterschiedlich. Die meisten sind jedoch Christen der einen oder anderen Ausprägung. Jonathan Wells gehört der Moon-Kirche an, Paul Nelson ist evangelikal und Michael Behe römisch-katholisch. Behe akzeptiert sowohl die gemeinsame Abstammung aller Lebewesen vom hypothetischen ersten Einzeller als auch das vom wissenschaftlichen Mainstream postulierte hohe Alter des Universums und der Erde.
 

Sie können zwar gleichzeitig auch ID-Vertreter sein, berufen sich aber explizit auf den christlichen Gott und sehen die Bibel inklusive des Schöpfungsberichtes als verbindlich an. Der Unterschied zwischen Kreationismus und Intelligent Design liegt in der Herangehensweise: ID nimmt die Wissenschaft als Ausgangspunkt, um Hinweise auf einen Schöpfer zu finden. Kreationisten aller Couleur gehen in der Regel den umgekehrten Weg. Sie beginnen beim biblischen Schöpfungsbericht und sammeln wissenschaftliche Argumente, um seine Richtigkeit zu beweisen.

Der Spagat

Hier verbirgt sich eine interessante Spannung: Die Bibel berichtet in 1. Mose, Kapitel 1, dass Gott die Erde, Gestirne, Tiere und Pflanzenwelt in sechs Tagen erschuf. Die meisten Alte-Erde-Kreationisten verstehen dies nicht als buchstäbliche Tage. Sie weisen darauf hin, dass das hebräische Wort für Tag „yom“ nicht unbedingt 24 Stunden meinen müsse, sondern auch längere Zeiträume von Tausenden oder Millionen von Jahren beschreiben könne. Das ist die sogenannte Day-Age-Theorie (zu Deutsch etwa: Tag-Zeitalter-Theorie). Dafür führen sie z.B. Bibelverse an, in denen z.B. steht: „Ein Tag ist bei Gott wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.“ Der biblische Bericht stehe somit nicht im Konflikt zum hohen Alter der Erde, wie es von den meisten Wissenschaftlern angenommen wird. Zu den am häufigsten angeführten Gründen dafür zählen radiometrische Datierung, Eiskernbohrungen und Dendrochronologie (Baumringe). Bekanntester Verfechter dieser Theorie ist der kanadische Astrophysiker Hugh Ross, der schon 1986 die Internetseite „Reasons to Believe“ gründete und mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben hat.

Andere Spielarten

Eine eher selten vertretene Variante des Alte-Erde-Kreationismus ist der 24-Stunden-Punktualismus. Das hohe Erdalter wird bejaht, allerdings soll auch an 24-Stunden-Tagen festgehalten werden. Gott habe etwas geschaffen, dann Millionen von Jahren Pause eingelegt, dann wieder an einem Tag etwas geschaffen, danach Millionen Jahre Pause und so weiter. Zuletzt schuf er den Menschen, am sechsten Tag.

Eine Unterform des Alte-Erde-Kreationismus ist die Gap-Theorie, was so viel wie „Lücken-Theorie“ bedeutet. Gemäß dieser Interpretation besteht zwischen dem ersten und zweiten Vers des Schöpfungsberichts eine Lücke. Die Aussage „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ könne sich demnach auf einen Zeitpunkt vor mehreren Milliarden Jahren beziehen. Der zweite Vers wird übersetzt mit „Die Erde wurde wüst und leer“, da sie darin das Gericht über eine vorherige Schöpfung sehen. Gott habe diese vernichtet und anschließend in sechs Tagen eine neue geschaffen. Fossilien seien die Überbleibsel der untergegangenen vorherigen Welt. Die sechs Tage der Genesis beschreiben die neue Schöpfung, in der wir leben.

Eine weitere Unterform ist die Apparent-Age-Theorie (auf Deutsch etwa: Scheinbares-Alter-Theorie), die streng genommen nicht zum Alte-Erde-Kreationismus gehört. Sie besagt, dass Gott die Welt vor einigen tausend Jahren in einem schon „reifen“ Zustand geschaffen habe. Auf welches Alter hätte man Adam am ersten Tag wohl geschätzt? Vielleicht Anfang 30? In Wirklichkeit war er aber erst einen Tag alt. So sei es auch mit dem Rest des Universums gewesen: Es wirkt älter als es ist, weil es schon fertig geschaffen wurde. Problematisch scheint, dass man Gott hier eine Täuschungsabsicht unterstellen könnte, da die Bibel das eine sagt, die Natur aber einen anderen Anschein erweckt.
 

Die Verfechter selbst nennen sich lieber „biblische Kreationisten“. Nicht selten wird dieser Gruppe Fundamentalismus vorgeworfen, da sie nicht nur der geheimhin gelehrten Evolutionstheorie widerspricht, sondern auch das postulierte hohe Erdalter in Frage stellt. Mit einer Schöpfung über Millionen von Jahren täten sich riesige Probleme auf, wenn man der Bibel gleichzeitig treu bleiben wolle, sagen sie. Zum Beispiel ergebe sich eine falsche Schöpfungs-Reihenfolge. Pflanzen werden am dritten Tag geschaffen, die für sie lebenswichtige Sonne jedoch erst am vierten. Würde ein Tag Millionen von Jahren umfassen, wären ohne das Sonnenlicht in der Zwischenzeit alle Pflanzen gestorben. Außerdem gebe es in der Bibel detaillierte Stammbäume, anhand derer man bestimmen kann, wann z.B. Adam gelebt hat. Die Apostel und Jesus hätten Adam und Eva sowie die anderen Patriarchen als historische Personen angesehen. Das wohl wichtigste Argument ist, dass es vor dem Sündenfall laut Bibel keinen Tod gab. Es könne also nicht sein, dass schon Millionen von Jahren vorher Tiere gelebt hätten und gestorben seien, da der Tod erst mit dem Sündenfall des Menschen in die Welt kam.

Widerspruch zur Wissenschaft?

Die Fossilien seien demnach nicht während Millionen von Jahren abgelagert worden, sondern vergleichsweise schnell bei der Sintflut entstanden. Überhaupt spielt die Sintflut in dem Modell eine wichtige Rolle, denn sie bietet auch eine Erklärung für andere Phänomene, die normalerweise mit einem hohen Erdalter erklärt werden. Zum Beispiel die Entstehung von Erdöl und Kohle. Aber auch geologische Formationen wie der Grand Canyon. In der Mainstream-Wissenschaft gilt dieser als Ergebnis einer millionenjährigen Erosion, im Sintflutmodell soll er aus weichem Sediment entstanden sein, das beim Rückzug der Flutwasser seine typische Form erhalten hat. Junge-Erde-Kreationisten bemühen sich aber, nicht nur mit der Bibel zu argumentieren, sondern auch wissenschaftliche Gründe für eine junge Erde zu liefern. Zum Beispiel führen sie aus, dass viele Mineralien Helium enthalten, das über Millionen von Jahren längst hätte entweichen sollen. Dazu komme ein zu niedriger Salzgehalt der Meere, ein schwächer werdendes Magnetfeld der Erde, die Struktur von Galaxien, die sich längst hätten auflösen müssen oder das erst kürzlich gefundene weiche Dinosauriergewebe, das es nach Millionen von Jahren eigentlich nicht geben darf. Vertreten wird diese verbreitetste Art des Kreationismus in den USA z.B. vom Institute for Creation Research, Answers in Genesis und Creation Ministries.
 

Der Verfasser favorisiert die letztgenannte Variante, da sie die Bibel beim Wort nimmt und dabei keine Kompromisse eingeht. Die wissenschaftliche Datenlage hält keineswegs nur Argumente für eine alte Erde bereit, obwohl es sie durchaus gibt. Nach meinem Dafürhalten verdichten sich die Hinweise auf eine junge Erde.

Die Debatten über das Wann und Wie ändern jedoch nichts an der einen Tatsache: „Seit Erschaffung der Welt sind seine Werke ein sichtbarer Hinweis auf ihn, den unsichtbaren Gott, auf seine ewige Macht und sein göttliches Wesen.“ (Römer 1, 20). Der eingangs zitierte Satz von Richard Dawkins ist nur ein Beispiel dafür, dass dies auch im 21. Jahrhundert gilt. Bei anhaltendem Fortschritt in Kosmologie und Biologie erscheint Gottes „ewige Kraft und Göttlichkeit“ deutlicher denn je.

Autor/-in: Timo König

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