23.05.2021 / Theologie

Der Heilige Geist: Das unverstandene Geschenk

Was feiern wir eigentlich an Pfingsten?

Christen feiern an Pfingsten, dass Jesus Christus sie in dieser Welt nicht alleine lässt. Wie er es seinen Jüngern versprochen hat, schickt er ihnen 50 Tage nach Ostern seinen Stellvertreter. Jesus selbst ist nach seiner Himmelfahrt nun zwar nicht mehr sichtbar anwesend, aber es gibt zwischen ihm und jedem Gläubigen durch den Heiligen Geist eine enge Verbindung.

Vielen Christen ist das theoretisch klar und trotzdem bleibt der Heilige Geist für sie eine nebulöse Sache: Man kann ihn nicht greifen und weiß auch nicht so recht, was man mit ihm anfangen soll. Dieser Artikel möchte den Heiligen Geist aus dem Dunstkreis theologisch abstrakter Begriffe herunterholen und zeigen, wer er ist und wie er wirkt.

Göttliche Energie oder Gott in Person?

Wer ist der Heilige Geist? Viele würde wohl als erstes das "Wer" in dieser Frage umformulieren in ein "Was". Sie stellen sich den Heiligen Geist als eine unpersönliche Kraft oder Energie vor, die in uns wirkt. Die Bibel zeichnet ein anderes Bild. Sie beschreibt den Heiligen Geist als eine Person, die in enger Beziehung zu Gott dem Vater und Gott dem Sohn steht.

Der Heilige Geist ist ein integraler Bestandteil des drei-einen Gottes (Johannes 4,23-24, Apostelgeschichte 5,1-4). Genau so wie Gott ist er allgegenwärtig, ewig und allwissend (Psalm 139,7-10; Hebräer 9,14; 1. Korinther 2,10-11). Wie eine Person hat er Intellekt, Wille und Gefühl (1. Korinther 2,10-13; 1. Korinther 12,11).

Die Ausführungen über den Heiligen Geist in Johannes 14-16 zeigen, dass es das Ziel des Heiligen Geistes ist, Jesus Christus ins Rampenlicht zu stellen.

Der Heilige Geist ist auf Jesu Bitte hin und in seinem Namen gesandt (Johannes 14,6+26). Das, was er den Menschen offenbart, redet er nicht aus sich selbst, sondern nimmt es von dem, was er von Jesus gehört hat (Johannes 16,13-14). Somit kann man sagen, dass dort, wo der Heilige Geist am Wirken ist, der Blick nicht auf Menschen gelenkt wird, auch nicht auf den Heiligen Geist selbst, sondern auf Jesus Christus.

Vom Geburtshelfer zum Mitbewohner

Auch im Alten Testament hat der Heilige Geist Menschen geführt, inspiriert und in ihnen gewirkt. Der Schwerpunkt dieses Artikels soll jedoch sein Wirken seit Pfingsten sein.
 

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Hanna Keller über den Heiligen Geist (02:16)

Liest man die verschiedenen Stellen im Neuen Testament, die beschreiben, was der Heilige Geist tut, wird deutlich, dass er ein Katalysator ist, ohne den der Glaube überhaupt nicht funktionieren würde. Das fängt bereits damit an, dass ein Mensch ohne das Wirken des Heiligen Geistes noch nicht einmal erkennen kann, dass er schuldig ist, weil er sein Leben ohne Gott lebt. Gleichzeitig ist er es auch, der den Ausweg aus diesem Dilemma aufzeigt, indem er deutlich macht, dass nur durch Jesus Christus Vergebung der Schuld und ein neues Leben möglich ist (Johannes 16,8-11).

Öffnet sich ein Mensch diesem Wirken des Heiligen Geists, bewirkt er als nächstes das, was die Bibel als Neu- oder Wiedergeburt bezeichnet (Johannes 3,3; Titus 3,5): Ein Mensch lässt sein altes Leben ohne Gott hinter sich und wird Gottes Kind. Bei diesem Prozess ist der Heilige Geist der Geburtshelfer, der diese geistliche Neugeburt überhaupt erst ermöglicht. Nach diesem geistlichen Geburtsprozess ruht sich der Heilige Geist nicht aus. Im Gegenteil: Jetzt steht er mit Rat und Tat zur Seite, um dem neugeborenen Kind Gottes zu helfen, seine ersten Schritte im Glaubensleben zu machen.

Die Bibel bezeichnet diesen Vorgang damit, dass der Heilige Geist Wohnung im Gläubigen nimmt (Johannes 14,16-17). Eine Wohngemeinschaft auf Lebenszeit sozusagen: Sein ganzes Leben lang kann sich der Christ auf die Gegenwart und die Hilfe des Heiligen Geistes verlassen. Weil Christsein alleine schlecht geht, fördert der Heilige Geist auch die Beziehungen und die Gemeinschaft zwischen den einzelnen Christen. Durch ihn sind zu Pfingsten die Jünger zu einer engen geistlichen Gemeinschaft verbunden worden. Sie sind alle mit dem Heiligen Geist "getränkt" (d.h. durchdrungen) (1.Korinther 12,13).  

Vorgeschmack des Himmels

Die Bibel spricht immer wieder in Symbolen und Bildern darüber, was der Heilige Geist für Christen ist und tut. Im 2. Brief an die Korinther vergleicht Paulus den Heiligen Geist zum Beispiel mit einer Anzahlung, die Gott Christen gegeben hat (2.Korinther 1,22). Christen sind auf Hoffnung hin erlöst. Sie erleben einen Teil ihrer Rettung schon jetzt durch die Vergebung ihrer Schuld und dadurch, dass sie in einer Beziehung mit Gott leben können.

Aber die vollkommene Rettung kommt erst in der Ewigkeit. Erst dort wird Schuld überhaupt kein Thema mehr sein, erst dort wird es kein Leid und keine quälenden Fragen mehr geben. Erst dort wird die Gemeinschaft mit Gott und den anderen erlösten Menschen ohne Spannung sein. Damit Christen angesichts aller Schwierigkeiten in dieser Welt und im eigenen Leben nicht ihre Hoffnung verlieren, schenkt ihnen Gott den Heiligen Geist. Durch seine verändernde Kraft können sie jetzt schon etwas von der zukünftigen Realität erfahren.

So, wie man bei einem Auto eine Anzahlung macht, um es später dann ganz zu besitzen, gibt Gott den Heiligen Geist als Anzahlung auf das zukünftige, ewige Leben in Gottes Gegenwart.  

Jesus bezeichnet den Heiligen Geist immer wieder auch als Helfer und Beistand für seine Nachfolger (Johannes 14,16-26). Mit dieser Bezeichnung wird das vielfältige Wirken des Geistes in den Gläubigen zusammengefasst. So vermittelt er ihnen zum Beispiel die Gewissheit, dass sie Gottes Kinder sind und Vater zu ihm sagen dürfen (Römer 8,14-17). Oder er hilft weiter, wenn sie nicht mehr wissen, was sie beten sollen (Römer 8,26).

Ein Prozess, der ohne die Hilfe des Heiligen Geistes gar nicht möglich wäre, ist die so genannte Heiligung. Dabei geht es darum, dass sich ein Christ verändert und Jesus ähnlicher wird. Viele Christen versuchen das aus eigener Kraft und sind frustriert, weil es nicht geht. Die Briefe des Neuen Testamentes betonen, dass es zuerst der Heilige Geist ist, der hilft von Neid, Streitereien, Wutausbrüchen oder unmoralischem Verhalten loszukommen. Stattdessen lässt er neue Eigenschaften wie Freude, Frieden und Selbstdisziplin in einem Leben wachsen (Galater 5,19-23).

Darüber hinaus gibt der Heilige Geist auch jedem Christen Fähigkeiten, durch die er sich in der Gemeinde und in seinem Umfeld so einsetzen kann, dass etwas von Gottes neuer Welt sichtbar wird (1.Korinther 12,11; Epheser 4,12). 

Ausgebremst

Der Heilige Geist ist Gottes großes Geschenk an seine Kinder. Das Neue Testament gibt zwei positive und zwei negative Aufforderungen, wie Christen mit diesem Geschenk umgehen sollen:


In welchem Ausmaß der Heilige Geist in einem Christen wirken kann, hängt also auch davon ab, wie weit der Gläubige ihm Raum in seinem Leben gibt. Dem Heiligen Geist Wirkungsraum zu geben, nennt die Bibel „im Geist wandeln“ (Galater 5,16). Umgekehrt kann der Gläubige den Heiligen Geist aber auch beleidigen. Das geschieht zum Beispiel, indem er seine Stimme ignoriert und kein Interesse an dem zeigt, worauf er ihn hinweist.

Das Wirken des Heiligen Geistes wird gedämpft, wenn ein Christ das gering schätzt, was Gottes Geist heilig ist oder bewusst falsches Verhalten seinem Leben zulässt. Die oben genannten Früchte des Geistes können sich dann nicht entfalten, das eigene Leben verändert sich nicht und man bleibt in seinen alten, teilweise Schuld beladenen Verhaltensmustern hängen.

Ein Vergleich hilft vielleicht weiter: Eine Schwangere trägt werdendes Leben in sich. Sie kann dessen Wachstum fördern oder hemmen. Normalerweise nehmen werdende Mütter Rücksicht auf ihr Baby. Sie schonen sich um seinetwillen, meiden Dinge, die sie gerne tun würden und tun Dinge, die sonst meiden würden, um dem Baby die besten Voraussetzungen zur Entwicklung zu geben. Ähnlich ist es mit einem Gläubigen, der seit seiner Neugeburt geistliches Leben in sich trägt.

Der Heilige Geist ist derjenige, der dieses Leben fördern will, so wie in der Natur alles dazu angelegt ist, dass der Embryo wächst. Doch wenn man der Natur durch traumatische Einwirkungen, Gifte, falsche Ernährung, usw. entgegenwirkt, hemmt man das Wachstum. Ebenso hemmt ein Christ sein geistliches Wachstum, wenn er demjenigen entgegenwirkt, der es vorantreibt: Dem Heiligen Geist.

Hellhörig werden

Wer als Christ wachsen möchte, dem hilft es, sich bewusst zu machen, dass der Heilige Geist in ihm wohnt und Veränderung bewirken möchte. Es gilt, sensibel zu werden in Bezug auf seine oft leise Stimme, ihn bei seiner Arbeit zu fördern und mitzuarbeiten, statt ihn – mehr oder weniger bewusst – an seiner Arbeit zu hindern. Folgende Fragen können dabei helfen: Welche Handlungen, Angewohnheiten und Situationen helfen mir, damit der Heilige Geist ungehindert in mir wirken kann? Welche Handlungen, Angewohnheiten oder Situationen sollte ich meiden, damit ich ihn in seinem Wirken nicht hindere oder blockiere?

Christen werden aufgefordert, sich füllen zu lassen. Einerseits heißt dies, dass sie etwas dazu beitragen müssen, andererseits, dass sie sich nicht selbst füllen, sondern gefüllt werden. Der Heilige Geist will jeden Christen mehr und mehr erfüllen - er wartet nur darauf, dass wir ihn lassen.

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