19.07.2018 / Wort zum Tag

Der Größte, Beste

Es kam unter den Jüngern der Gedanke auf, wer von ihnen der Größte wäre. Da aber Jesus den Gedanken ihres Herzens erkannte, nahm er ein Kind und stellte es neben sich.

Lukas 9,46–47

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Was ist denn mit Ihnen los, Herr Pfarrer? Deutschland spielt um die Weltmeisterschaft und Sie hier im Copyshop? Interessiert Sie das Weiterkommen unserer Mannschaft nicht? Wir wollen doch wieder Weltmeister werden und sehen das Spiel gerade im Fernsehen. Es steht noch 0:0. Na gut. Wir können Ihren Auftrag schnell erledigen.

So war es, liebe Hörerinnen und Hörer, vor drei Wochen. Deutschland spielte in der Vorrunde gegen Südkorea. Die Straßen waren leer und ich nutzte die Zeit, um schnell Dinge zu erledigen, für die ich sonst viel Zeit gebraucht hätte. Ich fragte mich dabei: Wie wichtig ist mir eigentlich diese Fußballweltmeisterschaft? Alle Medien sind voll davon und selbst in unserem Gemeindehaus läuft eine Fernsehübertragung und die Sitzung des Gemeindekirchenrates ist verschoben. Bestimmt dieses Thema mein Leben und alle Alltagsabläufe? Gibt es nicht noch etwas anderes, als nur der Größte und Beste und Weltmeister zu sein? Es ist eine alte Frage.

Das Lukasevangelium nimmt diese Gedanken auf. Unter den Jüngern selbst bricht solch eine Frage auf. Sie haben Jesus erlebt, seine Predigt vom kommenden Reich Gottes gehört, seine Wunder und Zeichen gesehen. Sie haben die Stimme Gottes auf dem Berg der Verklärung gehört. Und nun? „Was wird aus uns im Himmelreich?“ fragen sie. Welche Ordnung wird dort gelten? Sind wir als seine Erwählten die „Weltmeister“? Welche Rangordnung wird herrschen?

Jesus, der mit seinen Jüngern unterwegs ist, spürt ihre Frage. Ein wunderbarer Seelsorger. Er kennt sie und auch uns, wo wir auch sind und was uns auch bewegt. Jesus kennt und sieht uns und überrascht uns in liebevoller Art mit Bildern und Hinweisen, die wir verstehen. Er hat alles im Blick. Er wendet sich den Jüngern  zu und stellt sich ganz auf sie ein. „Ich sitze oder liege – du verstehst meine Gedanken von ferne,“ lesen wir im Psalm 139.

Diesmal stellt er ein Kind neben sich und erklärt: Wer der Kleinste unter euch ist, der ist groß. Und an anderer Stelle: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. (Mt.18). Kinder können etwas, das uns Erwachsenen oft verloren gegangen ist: Sie können ihre Ohnmacht erkennen, können annehmen, sich beschenken lassen und danken. Manchmal auch staunen und sich freuen, an der Hand eines Starken zu gehen.

Ob die Jünger es begriffen haben? Und Sie? Ich möchte Sie einladen, sich nicht Ihrer Schwäche zu schämen, sondern sich an der Hand Jesu durch diesen Tag und darüber hinaus leiten und halten zu lassen.

Autor/-in: Pfarrer Christoph Onken