19.12.2019 / Andacht

Der Gott der Wüste

Allzu gerne meiden wir Zeiten der Ungewissheit, des Wartens und des Leids. Dabei offenbart sich Gott mitunter gerade dann am deutlichsten.

Faszinierende Landschaften, bizarre Felsformationen und das einzigartige Spiel von Licht und Schatten: Die Wüste ist für viele Menschen ein lohnendes Reiseziel. Sich freiwillig und gut geplant auf eine Reise in die Wüste aufzumachen wie z.B. die Negev in Israel, die Atacama in Südamerika, die Sahara in Afrika oder die Gobi in Asien, kann eine sehr beglückende Erfahrung sein.

Ganz anders dagegen erleben wir oft die Wüstenzeiten, die unfreiwillig, plötzlich und schmerzhaft über unser Leben hereinbrechen. In diesen Zeiten der Krise wird die Wüste zum Ort der Versuchung, des Fragens, des Zweifelns und des Klagens. Was aber vielen nicht bewusst ist: Gerade die Wüste kann ein Ort sein, wo wir Gott auf einmalige Weise erfahren.

Der Gott der Wüste führt

Es ist einige Jahre her als ich mich selbst ganz plötzlich in einer Wüstenzeit wiederfand. Fragen brachen über mich herein: Wie lange wird das noch dauern? Was wird als nächstes passieren? Wie komme ich hier wieder raus? Einige Fragen blieben auch nach Wochen und Monaten unbeantwortet. Eine Wolken- und Feuersäule gab es ebenso wenig wie einen Mose und die 70 Ältesten.

Trotzdem habe ich Gottes Führung erlebt. Auslöser war ein Gebet einige Jahre vor dieser Wüstenerfahrung. Damals bat ich Gott intensiv um Gewissheit in meinem Glauben – aber nichts passierte. Wochen, Monate, Jahre vergingen. Auch als ich mich bereits mitten in der Wüste befand, konnte ich wochenlang keinen tieferen Sinn in alledem erkennen. Erst als meine Lage lebensbedrohlich wurde, erkannte ich plötzlich: Ich bin hier, weil Gott mir etwas zeigen will.

Plötzlich sah ich meine Umstände durch eine neue Brille und erlebte Gottes Nähe in einer nie dagewesenen Weise und Intensität. Die Umstände damals blieben noch wochenlang sehr schwierig. Die Gewissheit aber, auch in der Wüste von Gott geführt zu sein, hat mich in diesen schweren Tagen getragen.

Der Gott der Wüste versorgt

Ich habe auch erlebt, wie Gott mich in der Wüstenzeit wunderbar versorgt. Eine Erfahrung, die nur in der Wüste möglich ist. Statt Manna und Wachteln, stärkt Gott uns heute vielleicht durch einen guten Vortrag, eine gute Predigt, durch einen guten Gedanken, durch eine Aussage der Bibel, durch die Geschichten von Menschen, die ähnliches erlebt haben. Manchmal ist es auch nur eine kurze E-Mail, ein unverhoffter Anruf oder ein Brief. Oft sind es liebe Menschen, die sich Zeit nehmen, zuhören und für uns beten.

Zugegeben: Ähnlich wie die Israeliten ihr Manna nur für den täglichen Bedarf bekommen haben, fühlen wir uns dann manchmal von Gott gerade so für einen einzigen Tag versorgt. Aber wie oft beten wir „Unser tägliches Brot gib und heute“ – und meinen eigentlich: Herr schenke doch bitte so viel, dass ich es bis zum Verrotten horten kann, wie Israel das Manna? Ich habe die Erfahrung gemacht: Gottes Versorgung in der Wüste trägt trotz allem durch.

Der Gott der Wüste offenbart sich

Darüber hinaus lässt sich Gott in Wüstenzeiten auf einzigartige Art und Weise erfahren. Ich denke da an Mose und den brennenden Dornbusch oder die zahlreichen Wunder Gottes, die das Volk auf seiner Reise durch die Wüste erlebt hat.

Auch in meinem Leben waren es gerade die Wüstenzeiten, in denen ich Gott auf eine sehr intensive Weise neu kennen gelernt habe. Nicht den Gott, aus den Erzählungen anderer, nicht den Gott aus christlichen Ratgeberbüchern, nicht den Gott aus zweiter Hand, sondern den Gott aus erster Hand – nämlich meine Hand an seiner Hand.

In meinem Leben waren es gerade die Wüstenzeiten, in denen ich Gott auf eine sehr intensive Weise neu kennen gelernt habe.

Sicher ist die Wüste nicht das endgültige Ziel Gottes für mein Leben. Auch werden wir nicht für jede Wüstenzeit rückblickend dankbar sein. Es gibt Abschnitte in unserem Leben, die vielleicht bis zum Ende unseres Lebens mehr Fragen als Antworten und mehr Schmerz als Freude hinterlassen.

Dennoch kann gerade die Wüste als eine Station im Leben zu einem Ort einmaliger Gotteserfahrungen werden. So gesehen kann selbst eine ungeplante und schmerzhafte Wüstenzeit im Rückblick zu einer beglückende Erfahrung werden. Weit mehr als ein Dreitagestrip durch die Negev.

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