26.08.2024 / Bibel heute

Der fremde Wundertäter

Johannes sprach zu ihm: Meister, wir sahen einen, der trieb Dämonen in deinem Namen aus, und wir verboten’s ihm, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus aber sprach: Ihr sollt’s ihm nicht verbieten. Denn niemand, der ein Wunder tut in meinem Namen, kann so bald übel von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.[...]

Markus 9,38–41

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Es war im späten Frühjahr, als ich an einem Samstagnachmittag in unserem Garten arbeitete. Die Wochen zuvor waren feucht, aber immer auch schon warm gewesen, und in unserer Blumenrabatte standen alle Pflanzen in einem saftigen Grün. Grün war das, was wir eingepflanzt hatten, grün war aber auch das Unkraut, das in diesem Frühjahr prächtig gedieh. So machte ich mich an die Arbeit, das Unkraut zu jäten. Den Löwenzahn, den identifizierte ich noch zuverlässig. Aber dann musste ich in der Tat mehrmals meine Frau fragen. „Ist das Unkraut? Muss das raus oder soll das bleiben?“ Schließlich wollte ich ja nicht die Bauernbübchen, die Osterglocken oder gar unsere Pfingstrosen rausreißen, sondern halt nur die nutzlosen Gräser, die Vogelmiere, den Spitzwegerich oder die Ackerwinden. Einmal mehr merke ich: auch Unkraut jäten will gelernt sein. Nicht nur das Pflanzen, sondern auch das Ausreißen ist eine Kunst. Und zwar eine sehr wichtige. Wer nicht weiß, was er ausreißen soll, der kann viel kaputt machen.

An diese Erfahrung aus dem Alltag wurde ich erinnert, als ich den Bibelabschnitt im Markusevangelium gelesen habe. Johannes kam zu Jesus und beklagte sich über einen Mann, der im Namen Jesu böse Geister austrieb. In unserer aufgeklärten Welt erscheint es vielen seltsam, wenn Dämonen ausgetrieben werden. In anderen Kulturen ist das aber auch heute noch üblich; und zur Zeit Jesu müssen viele Exorzisten unterwegs gewesen sein. Doch das eigenartige an dieser Geschichte ist, dass dieser Mann nicht nur versuchte, Dämonen auszutreiben, sondern dass er dabei sogar Erfolg hatte. Obwohl er kein Jünger Jesu war, obwohl er nur ein Trittbrettfahrer der Jesusbewegung war.

Johannes konnte damit nicht umgehen, ihm schmeckte das nicht. Er und sein Bruder Jakobus wurden die Donnersöhne genannt, was ja im Blick auf ihren Charakter tief blicken lässt. Johannes war der Meinung, da muss man den Rauch reinlassen, und so hat er diesem Mann kurzerhand verboten, im Namen Jesu zu wirken. „Man muss doch das Unkraut gleich an der Wurzel packen.“ Nebenbei entdecke ich dabei, dass Johannes einer der führenden Jünger war. Er ist einer der wenigen, der im Markusevangelium namentlich erwähnt wird. Und ich entdecke, dass die Jünger durchaus auch eigenständig redeten und handelten. Er hatte sich nicht mit Jesus abgesprochen und berichtete Jesus – vermutlich nicht ohne Stolz – erst nach dieser Aktion.

Umso mehr wird er erstaunt darüber gewesen sein, wie Jesus reagierte. Und vielleicht sind auch Sie verwundert: „Verbietet es ihm doch nicht. Wenn jemand in meinem Namen Wunder tut, wird er nicht bald darauf schlecht von mir reden.“ Und dann fügt Jesus den Satz hinzu: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“

Und Jesus meint damit: Wer nicht wirklich etwas tut, das mir direkt schadet, wird sicherlich Gutes im Schilde führen. Lasst doch dem Guten seinen Lauf. Seid doch nicht engstirnig. Es ist gut, wenn ihr ein weites Herz habt.

Sollte ich mir dies heute nicht viel mehr zu Herzen nehmen, gerade dann, wenn Menschen aus unterschiedlichen Gemeinden oder aus unterschiedlichen Prägungen kommen? Sollte ich mich nicht viel mehr freuen, wenn andere anders mit Jesus unterwegs sind als ich?

Bis heute gibt es unter den Jüngern Jesu manche Scharfmacher. Ihr Hauptanliegen ist die Abgrenzung gegen alle, die nicht so denken wie sie. Ihr Anliegen ist es, klar zu benennen, was richtig und was falsch ist. Man muss doch das Unkraut ausjäten, sonst verwildert der Garten. Dabei ist der Pfad, auf dem sie gehen, oft ziemlich schmal.

Und weiter gilt: Auch Menschen, die keine Christen sind, können viel Gutes tun. Da muss ich nichts abwerten, da brauche ich nicht zu bremsen, da darf ich mich freuen, wenn Menschen – egal aus welcher Motivation heraus – dazu beitragen, dass diese Welt ein klein wenig besser wird. Noch einmal höre ich auf Jesus, wenn er zu seinen Leuten sagt: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“

Aber halt, ist es wirklich so einfach? Hat Jesus nicht auch einmal genau das Gegenteil gesagt? Im Matthäusevangelium, Kapitel 12, Vers 30 heißt es doch: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“

Als Bibelleser stehe ich zunächst vor einem Rätsel. Wie kann Jesus es einmal so herum und ein anderes Mal gerade andersherum sagen? Es ist wichtig, dass ich den Zusammenhang beachte. Auch im Matthäusevangelium, Kapitel 12, hat Jesus einen Dämon ausgetrieben. Die Pharisäer diskutierten danach über die Frage, ob Jesus seine Macht und Kraft von Gott, von seinem Vater im Himmel, empfangen hat. Oder ob er ein Handlanger des Teufels ist und nur deshalb die Macht hat, Dämonen auszutreiben.

Es geht also um die Frage: Kommt Jesus von Gott? Ist er Gottes Sohn? Bei dieser Frage gibt es kein weites Herz, keine weichen Ränder. Bei dieser Frage geht es um ein klares „Ja“ oder ein klares „Nein“. Wer nicht klar bekennt: „Jesus ist Gottes Sohn“, der ist gegen Jesus. Es gibt hier nur die radikale Alternative: „mit Jesus“ oder „gegen Jesus“. Wenn es aber um das Tun des Guten geht – wie in unserer heutigen Bibellese – da ist Jesus der Ansicht, dass ich ein weites Herz haben soll.

In der Pforzheimer Stadtmission, in der ich als Stadtmissionar arbeite, sind wir im Blick auf das „Unkraut jäten“ vorsichtig. Als einen unserer Werte haben wir definiert: „Wir streiten nicht über Fragen der Frömmigkeit und Glaubensthemen am Rand.“ Was ist Kern und was sind Randfragen? Kern ist unsere Haltung zu Jesus. Durch seinen Tod am Kreuz hat er uns aus Gnade gerettet, und er ist auferstanden. Kern ist unsere Liebe zu Gott und zu den Menschen und das Vertrauen in die Bibel. Alles andere, über was in Gemeinden oft diskutiert wird, sind Randfragen.

Zur heutigen Bibellese gehört auch noch Vers 41: „Wer euch einen Becher Wasser zu trinken gibt deshalb, weil ihr Christus angehört, wahrlich, ich sage euch: Es wird ihm nicht unvergolten bleiben.“ (Markus 9, 41)

Eine Sammlung von einzelnen Jesusworten schließt sich an diesen Vers an, die Jesus wohl bei verschiedenen Anlässen so gesagt hat.

Hier sagt er: Ein Becher Wasser, der einem Jünger Jesu gegeben wird, wird nicht unbemerkt bleiben. Dämonen auszutreiben, das klingt spektakulär. Einen Becher Wasser zu reichen, das klingt sehr banal. Doch beides ist in den Augen Jesu wertvoll. Noch einmal macht Jesus den Horizont weit. Wenn ich Jesus und seinem Reich dienen will, kommt es nicht auf spektakuläre Dinge an, sondern auch auf Kleinigkeiten. Im Matthäusevangelium, Kapitel 25 sagt Jesus es so: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Es geht darum, nicht müde zu werden, Gutes zu tun. Es geht darum, dass ich das Zwischenmenschliche nicht klein rede. Es geht darum, dass ich nicht ungestüm das ausreiße, was in den Augen Jesu gerne wachsen kann. Wenn ich so unterwegs bin, dann ist die Gemeinde Jesu ein schöner, blühender Garten, an dem Jesus und an dem andere Menschen ihre Freude haben.

Autor/-in: Uli Limpf