26.02.2020 / Wort zum Tag

Der erste Schritt zur Besserung

O dass mein Leben deine Gebote mit ganzem Ernst hielte.

Psalm 119,5

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Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung: Mit diesem Sprichwort habe ich so meine Probleme. Nicht, weil ich denke, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Nein, genau das Gegenteil ist der Fall: Eben weil ich weiß, wie zutreffend dieser Spruch ist, stört er mich irgendwie. Woran liegt das? Ganz selbstkritisch kann ich sagen: vermutlich daran, dass ich gerne die Kontrolle in meinem Leben behalte. Am liebsten möchte ich die Erkenntnis verdrängen, dass es manchmal doch nicht so läuft, wie ich es geplant habe. Denn das würde ja bedeuten, dass ich Schwäche eingestehen muss. Und wenn ich Schwäche eingestehe, bedeutet das wiederum, dass ich es alleine nicht hinbekomme. Und dann muss ich mir Hilfe suchen und Kontrolle abgeben.

Genau das fällt mir schwer. Dabei gibt es oft genug Menschen um mich herum, die Dinge einfach besser können als ich. Oder ich gerate in Situationen, in denen ich alleine zwar zum Ziel komme. Aber sinnvoller wäre es, gemeinsam anzupacken, um schneller fertig zu werden und Kraft zu sparen. Die eigene Schwäche eingestehen und Hilfe annehmen muss also nicht immer bedeuten, dass ich einfach stehenbleibe und es gar nicht erst versuche. Nein, manchmal kann Erkenntnis auch bedeuten, dass ich mein Bestes gebe und mir trotzdem Hilfe suche, um gemeinsam ans Ziel zu kommen.

Der Verfasser von Psalm 119 hatte mit der Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit offensichtlich nicht so ein großes Problem wie ich. Er hat ein ganzes Lied über die Gebote Gottes geschrieben und seufzt in Vers 5: „O dass mein Leben deine Gebote mit ganzem Ernst hielte.“ Aus diesen Worten spricht eine ganz tiefe Sehnsucht. Es ist die Sehnsucht danach, Gottes Gebote vollständig und ernsthaft zu halten. Und es ist vermutlich auch die Sehnsucht, Gott nahe zu sein. Denn Gott hat mir seine Gebote gegeben, damit es mir und den Menschen um mich herum gutgeht. Und damit ich erkenne, wie groß und gut Gott ist, sodass ich mit meinen Anliegen zu ihm komme.

Gleichzeitig schwingt in der Sehnsucht dieses kurzen Satzes aber auch ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht mit. Der Verfasser des Psalms hat erkannt, dass er noch nicht alle Gebote Gottes befolgt. Und das spricht er offen aus. Er legt es Gott hin und vertraut darauf, dass ihm der hilft, der die Gebote auch gemacht hat. Der Psalmist erkennt also seine eigene Unzulänglichkeit und bittet um Hilfe. Er verfällt nicht in eine Art Schockstarre und zieht sich zurück. Er verhält sich den Geboten Gottes gegenüber aber auch nicht gleichgültig. Er hat erkannt, dass er es alleine nicht schafft, die Gebote einzuhalten. Das bedeutet für ihn nicht, dass ihm die Gebote dann nicht mehr wichtig sind. Ganz im Gegenteil: Eben weil der Verfasser des Psalms weiß, wie gut Gottes Gebote für ihn sind, wendet er sich an Gott selbst. Er holt sich Hilfe bei dem, der weiß, was gut für ihn ist.

Zu erkennen, dass ich es alleine nicht schaffe, muss also nicht bedeuten, dass ich aufgebe und verzweifle. Vielmehr kann es mich dazu führen, dass ich mich an Gott wende und mir seine Gebote wieder in Erinnerung rufe. Zum Beispiel dann, wenn ich mal wieder genervt bin von meinen Freunden und ich in meiner Wut mein Gegenüber verletze - statt geduldig und liebevoll zu bleiben. Egal welche Situation es im Alltag ist: Auch ich bin wie der Psalmist dazu aufgerufen, meine Schwäche vor Gott einzugestehen und ihn im Gebet um Hilfe zu bitten. Denn: Erkenntnis ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung.

Autor/-in: Hannah Thielmann