07.04.2023 / Wort zum Tag

Der Blick durch eine Zeitmaschine

Einer der Übeltäter sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Lukas 23,42–43

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Haben Sie sich auch schon manchmal eine Zeitmaschine gewünscht?

Also nicht unbedingt, um den Verlauf der Geschichte zu ändern, aber um bei bestimmten Momenten in der Geschichte live dabei sein zu können.

Es gibt für mich so einige Stellen im Neuen Testament, bei denen ich unheimlich gerne dabei gewesen wäre. Einfach nur, um das persönlich mitzuerleben, zu hören, zu sehen, zu fühlen, was da geschehen ist.

Und eine dieser Stellen ist für mich die Stelle aus dem Lukasevangelium in Kapitel 23, Vers 42 und 43. Dort sagt einer der beiden Männer, die gemeinsam mit Jesus gekreuzigt worden sind: „Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst. Und Jesus sprach zu ihm, wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

Warum wollte ich da unbedingt gerne dabei gewesen sein? Weil das, was Lukas uns hier berichtet, so übermenschlich ist.

Warum ist das übermenschlich, was Jesus hier tut? Jesus reagiert in einer Art und Weise, mit der niemand jemals rechnen konnte. Was wäre eine normale menschliche Reaktion gewesen, wenn dieser Verbrecher zu ihm sagt, Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst? Eine normale menschliche Reaktion wäre gar keine Reaktion gewesen.

Jesus hatte nun wahrlich genug mit seinen eigenen Schmerzen zu tun und mit dem Trauma, dass er gerade getrennt war von seinem Vater im Himmel.

Eine andere, zutiefst menschliche Reaktion wäre gewesen: was hier mit dir geschieht, das hast du dir selber eingebrockt. Also, sorry, ich kann da nichts dran ändern.

Eine andere menschliche Reaktion wäre gewesen, zu sagen, du hast dein ganzes Leben lang Zeit gehabt, dich auf diesen Moment deines Sterbens vorzubereiten.

Und nachdem du alles verbockt hast, nachdem du ein Verbrechen begangen hast, das die römische Justiz mit dieser Hinrichtung bestraft, da willst du jetzt auf diese einfache Weise noch eine Freifahrtkarte für den Himmel buchen? Mit welchem Recht?

Oder eine weitere menschliche Reaktion wäre gewesen: Sorry, du kriegst, was du verdienst. Und außerdem hast du mich vorher gemeinschaftlich mit dem anderen, der hier auf der anderen Seite am anderen Kreuz hängt, verspottet. Also, nee.

Und was tut Jesus? Er begegnet diesen Menschen mit seiner ganzen Selbstlosigkeit, mit seiner ganzen Barmherzigkeit.

Er öffnet sein Herz für diesen Mann und er sagt, wahrlich, ich sage dir - Worte, die Jesus nur benutzt hat, wenn es um etwas extrem Wichtiges ging - wahrlich, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Und der Mann, der diese Worte hört, spürt in diesem Moment, dass er kurz davorsteht, die Wirklichkeit, die Realität, die Wirkmächtigkeit dieser Worte Jesu an seiner eigenen Seele zu erleben.

Und getragen von diesen mächtigen, liebevollen Worten aus dem Munde Jesu, endet sein Leben.

Vielleicht können Sie jetzt verstehen, weshalb ich gerne eine Zeitmaschine hätte, um diesen Moment einmal live mitzuerleben.

Aber das Spannende ist nun, dass wir heute und hier eben diese Worte Jesu persönlich nehmen dürfen.

Jesus sieht auch die Not unseres Lebens. Wir gehen alle auf den Tod zu, die einen früher, die anderen etwas später. Und wir brauchen alle die Zuwendung von ihm, der uns an seine mächtige, liebevolle Hand nimmt und uns diesen Zuspruch gibt und wir uns bei ihm bergen dürfen, so wie dieser verzweifelte Mann.

Nichts hatte er Jesus zu bringen außer seine Verzweiflung. Und Jesus reicht das.

Und so dürfen auch wir zu Jesus kommen. In dem Wissen, dass wir ihm nichts zu bringen haben. Außer dem, was uns manchmal am Leben verzweifeln lässt. Einfache Worte, die den Hilferuf unseres Herzens zum Ausdruck bringen. Hier kommt es nicht auf Formulierungen an, sondern auf Ehrlichkeit.

Und Jesus, er ist bereit uns in Liebe zu empfangen, und seine Liebe in unserem Leben Wirklichkeit werden zu lassen.

Autor/-in: Pfarrer Michael Sarembe