26.07.2022 / Wort zum Tag

Der alte Bahnhof am Ende der Straße

Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!

Jesaja 12,4

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Ich steige am Berliner Hauptbahnhof in den Regionalzug nach Wittenberge und fahre, an Spandau vorbei, hinaus aus der großen Stadt ins Grüne. Nach einer halben Stunde steige ich in Nauen aus, einer hübschen Kleinstadt in Brandenburg. Dort steige ich in den Bus und fahre, zwischen Kuhweiden und riesigen Weizenfeldern, nochmal eine Viertelstunde weiter. Hinter dem Dorf Börnicke hält der Bus mitten im Wald an irgendeinem Denkmal. Dort steige ich aus, nehme mein Gepäck und gehe die letzten paar hundert Meter zu Fuß. Der Koffer rumpelt auf dem uralten Kopfsteinpflaster, neben mir im Wald sind im Unterholz alte hölzerne Schwellen zu erkennen. Vor langer Zeit muss hier eine Eisenbahnstrecke gewesen sein. Jetzt ist alles überwachsen von Bäumen, Sträuchern, von viel, viel Grün, in dem die Vögel zwitschern und die Grillen zirpen.

Schließlich endet die Straße an einem Tor. Dahinter ein großes Gebäude. Ein Bahnhof, tatsächlich, hier am Ende der Welt. Aber es ist keineswegs eines dieser verfallenen Gemäuer, wie man sie hier noch mancherorts antrifft. Es ist ein wunderschönes Haus, weiß verputzt mit rotem Dach und einem Türmchen mit Wetterhahn. Überall finden sich kleine liebevolle Details, aus der Remise duftet der Kaffee aus eigener Röstung.

Hier wohnen Gero und Lisa mit ihren Kindern. Sie haben vor einigen Jahren dieses Gebäude gekauft und mit unendlich viel Arbeit und Liebe zu einem Ort hergerichtet, wohin Menschen kommen können, um für eine Weile der Großstadt zu entkommen und durchzuatmen. Manche kommen hierher, um konzentriert an einem Projekt zu arbeiten, das WLAN ist stabil. Andere nutzen den Ort zum Ausspannen, zum Spazierengehen oder um auf der Wiese ein gutes Buch zu lesen. Oder um sich Gedanken zu machen über Gott und die Welt.

Es haben hier schon Menschen neu den Zugang zu Gott gefunden, erzählt Gero. Denn genau das ist Geros und Lisas großes Anliegen und aus diesem Grund haben sie dieses Haus gekauft und mit so großem Aufwand hergerichtet. Die Losung der Herrnhuter Brüdergmeine könnte ihr Lebensmotto sein. Denn da heißt es im Buch Jesaja, Kapitel 12, Vers 4: „Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündigt, wie sein Name so hoch ist!“

So wird das Loblied klingen, das dereinst im großen Friedensreich am Ende der Zeiten gesungen werden wird. Wenn Gott alle seine Zusagen und Verheißungen erfüllt hat und das Volk Gottes in seiner Gegenwart zur Ruhe kommt.

Von diesem großen Gott, der seine Versprechen hält, sollen alle Völker hören. Das ist Geros und Lisas großer Wunsch. Und diesen Wunsch, allen Völkern die gute Botschaft von Gottes Liebe zu bringen, leben sie hier in diesem alten Bahnhofsgebäude in der hintersten Ecke von Brandenburg.

Sie haben erkannt, dass es gar nicht nötig ist, weit in die Welt hinauszureisen, um der Welt diese Botschaft zu bringen. Gero und Lisa haben durchaus schon ausgiebig die Welt bereist und sind weit herumgekommen. Aber schlussendlich haben sie gemerkt, dass sie ihren Auftrag genauso gut erfüllen können, wenn sie einfach hier in Deutschland an einem schönen Ort ein Zuhause einrichten und die Menschen zu ihnen kommen lassen. Es werden sicher nicht ganze Völker sein, die da ankommen. Aber das muss ja auch gar nicht sein. Sie brauchen nicht die ganze Welt zu missionieren. Die paar Menschen, die jeweils bei ihnen sind, sind in diesem Moment für sie die Völker der Welt. Und wenn sie diesen durch ihr Leben, ihre Gastfreundschaft und ihren Dienst an ihnen die gute Botschaft von Gott vermitteln können, dann geschieht hier genau das, wovon der Vers spricht: „Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündigt, wie sein Name so hoch ist!“

Autor/-in: Jutta Schierholz