21.11.2011 / Themenwoche Einheit mit Christus

Das stille Topthema des Neuen Testaments

Wer meint, mit Verstehen und Handeln den christlichen Glauben zu erfassen, irrt. Gerade ein zentraler Gedanke macht ihn überaus geheimnisvoll.

Menschen wollen erklären, verstehen, durchdringen und begreifen. Sei es die Natur, sich selbst oder den eigenen Glauben. Da fügt es sich hervorragend, dass das Verstehen ein wichtiger Bestandteil des christlichen Glaubens ist. Dieser will erfasst und erkannt werden – und bietet allein mit den Themen der Trinität oder der Prädestination eine riesengroße Spielwiese, auf der sich kluge Köpfe austoben können.

Eine rationale Sparversion

Das Problem: Gibt man allein dem Verstand den Vorrang, ergibt sich mit größeren und kleineren Abweichungen meist folgende verkopfte, wenig inspirierende Ausgabe des christlichen Glaubens: Jesus hat die Vergebung von Schuld möglich und den Weg zum Vater frei gemacht. Durch ihn können wir die Beziehung zu Gott wieder in Ordnung bringen. Und Jesus schenkt uns die Hoffnung auf eine ewige Herrlichkeit. Und, ach ja: Bis dahin sind Christen natürlich nicht besser, aber besser dran. Fertig.

Alles gut. Alles richtig. Dass diese rationale, nach innen gerichtete Sparversion des Glaubens aber nicht alles sein kann, haben Christen aller Generationen erkannt und einige nach außen gerichtete, unentbehrliche Aspekte hinzugefügt: Sich der Armut in den Weg stellen, für Gerechtigkeit kämpfen, an Gottes großem Plan mit dieser Welt mitarbeiten.

Das stille Topthema

Gut so. Aber der christliche Glaube hat noch mehr zu bieten. Mehr als intellektuelle Herausforderungen und mitmenschliche Hingabe. Christlicher Glaube birgt an einigen Stellen Geheimnisse, die sich letztlich dem Verstand und der Praxis verschließen. Dazu gehören nicht nur die Trinität oder die Prädestination. Dazu gehört auch ein stilles Topthema des Neuen Testaments, das geradezu aus allen Ritzen quillt, aber vergleichsweise wenig Platz in Büchern, Artikeln und Predigten bekommt: Die Einheit mit Christus.

Dabei werden die Autoren des Neuen Testamentes nicht müde zu beschreiben, was das bedeutet und was dazu gehört: Christus in uns (Johannes 15,5), wir in Christus (Römer 8,1), ihm immer ähnlicher werden (1. Korinther 11,1), mit ihm sterben (Römer 6,8), ihm in seiner Auferstehung gleichen (Römer 6, 5). All diese Aussagen gipfeln in Aussagen, die die Einheit mit Christus betonen (Johannes 17,21) – fast schon beängstigend, wie sehr Christen mit ihrem Namensgeber verbunden sind.

Nichts weniger als eine neue Kreatur

Um Missverständnisse gleich auszuräumen: Die Bibel spricht an keiner Stelle davon, dass der Gläubige in mystischer Ekstase mit Gott völlig eins, quasi vergöttlicht wird. Nirgends geht es darum, Personen zu vermischen oder sich mystisch mit Gott zu vereinigen. Mensch bleibt Mensch und Gott bleibt Gott.

Trotzdem wird deutlich: Christ sein bedeutet nicht nur, einen Glauben intellektuell zu durchdringen und entsprechend zu handeln. Selbst von einer Freundschaft oder Beziehung zu sprechen ist offenbar zu wenig. Die Autoren des Neuen Testamentes geben sich mit nichts weniger zufrieden als der Einheit mit Christus.

Oder wie Paulus es ausdrückt: Es entsteht eine neue Kreatur (2. Korinther 5,17) – und damit ein Geheimnis, das sich dem Verstand und dem Handeln entzieht. Klingt geheimnisvoll? Ist es auch. Höchste Zeit, dieses Geheimnis genauer unter die Lupe zu nehmen.
 

Autor/-in: Joachim Bär

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