28.08.2020 / Andacht

Das Okay von Gott

Sola fide: Glaube ist mehr, als nur Gutes zu tun.

Mit 16 gehörte für mich als Pfadfinderin die tägliche gute Tat einfach dazu. Und das schlechte Gewissen, wenn ich es mal wieder nicht geschafft habe. Die gute Tat aber konnte nicht aufwiegen, was schief lief in meinem Leben. Und ich stellte mir die Frage: Wie bekomme ich für das alles ein Okay von Gott?

Später, bei einer Fahrt über die Autobahn würgte mich die Angst. Was, wenn dieser Wagen jetzt in die Betonschutzmauer raste? Ich war nicht vorbereitet auf die Begegnung mit dem, der mich gemacht hat. Alles in allem war mein Glaube als Teenager ein Mix aus Gedanken machen und mich anstrengen.

Die Angst, bei Gott durchzufallen

Ähnlich erging es einem Studenten der Rechtswissenschaften, als er im Juli 1502 in ein Gewitter gerät. In der Nähe schlägt ein Blitz ein. Die Angst um sein Leben bewegt den jungen Martin Luther ins Kloster zu gehen. Seine Tage und Nächte dort sind gefüllt mit Gebet und Studium. Trotzdem bleibt in seinem Herzen ein entscheidender Platz leer.

Erst einige Jahre später begegnet Professor Martin Luther dem lebendigen Gott. Dieses sogenannte „Turmerlebnis“ von 1515 ist der Stein, der die Reformation ins Rollen bringt. Luther sitzt im Turm des Klosters Wittenberg in seiner Studierstube. Er bleibt bei einer Erkenntnis im Römerbrief von Paulus hängen, die den gelehrten Gottsucher wie ein Blitz durchfährt: „Der Gerechte wird durch den Glauben leben“ (Römer 1,17).

Dieser Satz bricht für Bruder Martinus das Gefängnis der eigenen Anstrengungen und Leistungen auf. Der Glauben, der frei macht, kommt durch die Beziehung zu Gott. Kurz vor seinem Tod blickt Luther auf seine innere Wende so zurück:

Hier spürte ich, dass ich völlig neu geboren sei und dass ich durch die geöffneten Pforten in das Paradies selbst eingetreten sei. – Martin Luther

Allein durch Glauben

Es war ein paar Monate nach der Autofahrt, als mich die Angst gepackt hatte, bei Gott „durchzufallen“ wegen zu weniger guter Taten. Da sprechen in meiner kirchlichen Jugendgruppe einige junge Frauen aus halb Europa ganz unbekümmert davon: Wir sind in diese Stadt gekommen, damit junge Leute den Glauben neu entdecken. Und sie sagen, dass sie „aus dem Glauben leben“.

Eine Freundin fragt mich nach dem Abend: Wie kann man aus dem Glauben leben? Ich will das auch gerne wissen. Mit dieser Freundin gehe ich ein paar Tage später hin in das Gratis-Café, zu dem unsere Besucherinnen eingeladen haben. Wir reden stundenlang miteinander.

Mein persönliches „Turmerlebnis“ habe ich am Telefon. Vor einer dieser jungen Frauen seufze ich: „Heute hab ich mal wieder so viel falsch gemacht. Ich muss noch viel an mir arbeiten, bis ich in den Himmel kommen kann.“ Es ist der Moment, wo bei mir der Groschen fällt, als sie antwortet: „Nein, das stimmt nicht. Du musst nur glauben, was Jesus für dich getan hat. Dann hast du dein Okay von Gott.“

Wer glaubt, vertraut Gott sein Herz an

Im Anschluss an dieses Telefongespräch kritzle ich viele Seiten in mein Tagebuch. Ich danke Gott, dass ich jetzt weiß, warum Jesus in diese Welt gekommen ist. Mich verlässt das Zittern und Zagen um den Erfolg meines Lebens. Gott nimmt mir mein Versagen ab, das mich so beschwert hat. Ich spüre eine bis dahin unbekannte innere Verbindung mit meinem Schöpfer. Das macht mich froh.

Erst nach mehreren Stunden komme ich wieder aus meinem Zimmer. Mir ist, als ob draußen die Sonne scheint. Dabei ist es grau und trüb, aber in mir hat etwas helles Neues angefangen.

„Ich glaube an Gott“ – seit diesem Wendepunkt spreche ich das Glaubensbekenntnis mit Überzeugung. Das lateinische Wort für Glauben geht zurück auf „corem dare“ und bedeutet: das Herz geben. Wer das Credo spricht, sollte das bedenken: Glauben bedeutet, Gott das Herz anvertrauen.

Angst und Unsicherheit führten zur Guten Nachricht

Noch nie haben so viele Menschen auf der ganzen Welt ihr Herz Gott gegeben wie heute. Ein gewaltiger geistlicher Aufbruch geht 500 Jahre nach Martin Luthers Weckruf rund um die Welt. Gerade dort, wo das Evangelium lange nicht willkommen war, verbreitet es sich heute in atemberaubendem Tempo. China, Nepal, Kuba oder Iran – das sind Länder, wo die Frohe Botschaft gewaltige Resonanz findet. Oft treffen Menschen sich heimlich in kleinen Gruppen und finden Gottes Trost. Ihr Glaube ist stark. Sie erleben Zeichen und Wunder von Gott, wie sie in der Bibel beschrieben werden. Und der Glaube an Jesus bewahrt sie vor der Verzweiflung.

Auch den Professor Luther hat sein Glaubensschritt viel gekostet. Jahre voller Angst und Unsicherheit. Einige Monate harrt er unerkannt auf der Wartburg aus. In dieser Zeit kann er das Neue Testament übersetzen. Seine Beziehung zu Gott wächst durch die Krise. Die Gute Nachricht von Gottes Gnade nimmt danach durch die Reformationsbewegung ihren Lauf.

Gutes tun muss nicht anstrengend sein

Vor meinem persönlichen Turmerlebnis war meine Suche nach Gott sehr anstrengend. Wie aber sieht es seither aus? Ich habe entdeckt, dass Martin Luthers Glaube durchaus gute Werke kennt. Er bringt es so auf den Punkt:

Gute Werke sind des Glaubens Siegel und Prob; denn gleich wie die Briefe müssen ein Siegel haben, damit sie bekräftigt werden, also muss der Glaube auch gute Werke haben. – Martin Luther

Wichtiges muss auch im vernetzten Zeitalter mit Stempel und Unterschrift beglaubigt werden. Mein Glaube – das heißt meine Beziehung zu Gott – ist für mich selbst mehr als Gold wert. Dieser kostbare Schatz will kommuniziert werden. Zum Beispiel in einem freundlichen Lächeln für einen müden Menschen. In ein wenig Zeithaben für eine überlastete Nachbarin oder für Asylanten, die monatelang auf ihre Bescheide warten. Oder in der chronischen Krankheit die Perspektive nicht verlieren.

Der große Unterschied ist: Alles ist nicht mehr so furchtbar anstrengend. Die Energie kommt durch die Liebe und den Geist, die Gott durch mich fließen lässt, seit ich ihm gesagt habe: „Ja, ich glaube“.

Autor/-in: Ingrid Heinzelmaier

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