13.03.2021 / Wort zum Tag

Das Los werfen

Der Mensch wirft das Los; aber es fällt, wie der HERR will.

Sprüche 16,33

Ihr solltet sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.

Jakobus 4,15

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Dieser Vers wirft ein Licht auf eine uralte Praxis der Menschheit: Das Los-Orakel. Wenn man wissen möchte, was zu tun ist und vor allem, was Gott oder die Götter erwarten, dann warf man das Los. Wie das konkret aussah, darüber gibt es auch in der Bibel nur angedeutete Berichte. Auf jeden Fall war es ein gelegentliches Mittel, um Gottes Willen zu erfragen, wenn nichts anderes mehr half (wie Prophetie oder klare Anweisung der Gebote). Also z. B.: Sollen wir in einen Krieg ziehen oder nicht?

Im Gegensatz zu heidnischen Orakeln scheint mir das Losen im biblischen Zusammenhang relativ selten zu sein. Das hat auch einen guten Grund: Gott hatte seinem Volk gute Gebote und Lebensregeln mit auf den Weg gegeben, da gab es nur wenige offene Fragen – und wenn ja, dann war zunächst der Priester dafür zuständig.

Und außerdem hat jedes Losen immer auch ein grundsätzliches Problem: Ich stehe z. B. vor einer wichtigen Entscheidung und sehe zwei Möglichkeiten: Soll ich so oder so entscheiden? Und dann werfe ich das Los – aber jetzt darf sich plötzlich Gott zwischen den beiden Möglichkeiten entscheiden, die ich ihm vorlege.

Nur - was ist, wenn Gott eine dritte oder völlig andere Möglichkeit sieht, die meinem Horizont verborgen geblieben ist?? Das Losen stellt also im Grunde nicht mich in Frage, sondern ich stelle Gott vor eine Entscheidung. Ich halte das theologisch zumindest für problematisch.

Der Mensch wirft das Los; aber es fällt, wie der HERR will.

Dieses Bibelwort aus Sprüche 16 werten manche Bibelausleger aber auch als beginnende inneralttestamentliche Kritik am Losen in dem Sinne: Du kannst das Los werfen, wie Du willst – Gott entscheidet in jedem Fall souverän.

Heilsgeschichtlich gesehen ist die Zeit im Grunde vorbei, in der man durch das Los Gottes Willen erfahren kann. Aufschlussreich ist der allerletzte biblische Bericht dazu in Apostelgeschichte 1: Judas war tot und damit als Jünger ausgefallen. Die übrigen elf wollen wieder einen Zwölferkreis und losen dazu Matthias aus. Ob es sinnvoll war, sei dahingestellt, denn von ihm hören wir nie wieder etwas.

Aber dann folgt Apostelgeschichte 2 und berichtet von der Ausgießung des Heiligen Geistes – und danach kommt im ganzen Neuen Testament das Los nie wieder vor! Denn jetzt ist der Heilige Geist da, den jeder Christ hat und der in alle Wahrheit leitet, wie Jesus sagt. Das Losen ist also überflüssig geworden.

Und selbst in einer Situation, wie sie Paulus (nach Apg. 16) in Troas erlebt, denkt er nicht ans Losen. Der Heilige Geist hinderte ihn immer wieder an seinen Reiseplänen – und schließlich schenkt er ihm die Vision mit dem bittenden Mazedonier: Komm zu uns nach Europa!

In der christlichen Frömmigkeitsgeschichte hat das Losen allerdings immer wieder eine Renaissance erlebt. Insbesondere Graf Zinzendorf war davon überzeugt – auch wenn es für ihn dabei manche unerwarteten Überraschungen gab. Immerhin, wir haben bis heute seine „Losungen“, die einmal als sinnvolles Tagesmotto gedacht waren, aber leider für viele Christen so etwas wie ein frommes Horoskop geworden sind. Denn die Bibel will im Zusammenhang gelesen und nicht in einzelne Sprüche aufgeteilt werden, die dann oft genug noch aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen und wie ein Orakel verstanden werden.

Der Mensch wirft das Los; aber es fällt, wie der HERR will.

Dieser Vers reiht sich ein in eine ganze Folge von Aussagen in Sprüche 16, in denen es darum geht, dass wir Menschen uns manche Pläne machen, aber Gott die entscheidenden Weichen stellt. Und daran möchte ich festhalten. Ja, wir dürfen planen, ja, wir sollen denken und Möglichkeiten prüfen, aber immer unter dem Vorbehalt: Herr, Dein Wille geschehe.

Autor/-in: Pastor Wolfgang Buck