06.03.2020 / Wort zum Tag

Dann …

Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.

Jesaja 35,5

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Ja, DANN, sagen wir oft. DANN wird alles besser. DANN können wir uns selbständig machen. DANN sind wir raus aus den Schulden. Ja, DANN. Aber ganz sicher ist dieses DANN auch nicht. Ob das wirklich so kommt, - wer weiß? Darum verbinden wir das DANN meist mit einem WENN, ja, wir müssen es sogar. Also: WENN wir das so und so machen, dann wird alles besser. WENN wir die nötigen Voraussetzungen geschaffen haben, dann können wir uns selbständig machen. WENN wir das fehlende Geld zusammenbekommen, sind wir raus aus den Schulden. Und so weiter.

Mit unserer Hoffnung ist das so eine Sache. Einerseits brauchen wir sie, denn, wie es so heißt, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ohne Hoffnung gibt es kein dauerhaftes Leben, mit der Hoffnung ist das Leben bunt und lebenswert. Aber wir werden auch oft enttäuscht. „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“, heißt das Sprichwort. Wir hoffen auf das DANN, aber wenn das WENN nicht klappt, dann ist da nichts mit DANN.

Die Bibel ist voll von Hoffnungsbildern. So heißt es einmal im Propheten Jesaja: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.“ Da ist es wieder, das DANN. Und da steht kein WENN dabei. Also eine bedingungslose Hoffnungsansage? Da muss ich stocken, denn hier geht mich etwas ganz persönlich an. Seit einigen Jahren brauche ich ein Hörgerät. Lange musste ich experimentieren, um ein für mich passendes zu finden. Und heute noch habe ich mein altes, so gutes Gehör nicht wieder. Gespräche in Gruppen fallen mir schwer, der Aufenthalt in einem Restaurant ist mehr als anstrengend. Und vor allem: Ich kann meine liebe klassische Musik nicht mehr wie früher auf mich wirken lassen. Trotz aller modernen Technik klingen viele Töne in meinen Ohren schräg. So ganz richtig wird das wohl nicht mehr.

Wenn ich dann lese, dass die Ohren der Tauben geöffnet werden, dann kann ich mir das einfach nicht vorstellen, jedenfalls nicht in dieser Welt. Und trotzdem steht da dieses DANN, ohne WENN und Aber. Ich glaube, es ist gut, wenn wir uns dieses DANN einfach mal gefallen lassen. Als der Prophet Jesaja vor vielen Jahren diese Verheißungsworte sagte, war an Erfüllung nicht zu denken. Da waren die Verhältnisse beängstigend. Fremde Mächte drohten Israel zu zerstören. Die Leute müssen gedacht haben: Der Jesaja spinnt. Das ist ein Traumtänzer. Der gaukelt eine Zukunft vor, die es gar nicht gibt.

Aber ich kann es auch ganz anders sehen. Wie gut, dass wir nicht einfach nur Realisten, sondern auch Träumer, Utopisten, sein können. Wir brauchen Menschen, die sich nicht nur von der sogenannten Realität leiten lassen. Wenn Martin Luther King nicht seine wunderbare Rede gehalten hätte, die mit dem Satz „Ich habe einen Traum“ begann, wäre die Welt ärmer geblieben. Genauso war es für uns Berliner, als der amerikanische Präsident Ronald Reagan am Brandenburger Tor den Satz sprach: „Mr. Gorbatschow, reißen Sie die Mauer nieder.“ Wir brauchen Menschen, die eine Zukunft vor sich sehen, die es noch gar nicht gibt. Daraus entsteht Phantasie, gerade wenn die vielen WENNs noch nicht benannt worden sind.

Und was mache ich nun mit meinen Hörproblemen? Erstens: Es geht mir mit dem Hören besser, als ich noch vor Jahren gedacht habe. Warum? Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben und habe das mir Mögliche getan, auch den Akustiker gewechselt. Und dann: Christen sind unerschütterliche Hoffnungsträger. Wenn ich in dieser Welt nicht mehr „meine“ Komponisten so hören kann wie noch vor zehn Jahren, warum sollte ich sie nicht in der neuen Welt Gottes hören, glasklar und strahlend? Warum nicht? Prophetische Worte haben auch immer eine überzeitliche Bedeutung. Die biblischen Hoffnungsbilder brauchen kein WENN: Da wirkt Gott allein, da baut er allein seine neue Welt. Da wird der Tod nicht mehr sein, da wird Gott alle Tränen abwischen, - und da wird es auch keine Hörprobleme mehr geben.

Autor/-in: Pfarrer i. R. Hartmut Bärend