02.08.2012 / Wort zum Tag

Daniel 9,14

Der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die er tut.

Daniel 9,14

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Das Bibelwort stammt aus dem Alten Testament. Es gehört zu einem Gebet, zu einem Bekenntnis, das jemand in einer schwierigen Situation gesprochen hat. Da betet einer: „Der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die er tut.

Nein – höre ich da manche Menschen rufen. Gott - gerecht? Wie oft scheint es so anders. Da wird ein junger Mann krank, Vater von zwei Kindern. In seiner Gemeinde hat er lange mitgearbeitet. Die Krankheit stellt sich als unheilbar heraus. Bald liegt er im Sterben. Ist Gott gerecht? Da wird ein Kind krank, das Gehirn wird geschädigt. Die Eltern reagieren verzweifelt. Ist Gott gerecht? Da gehen Christen in Nigeria zum Gottesdienst – und dann fallen Schüsse, töten Menschen. Loblieder werden zu Klageschreien. Ist Gott gerecht? Wie kann da jemand im Gebet betonen: „Der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die er tut“? Wie sollen wir das verstehen?

Fragen wir, um einer Antwort näher zu kommen: Wer hat denn so gebetet und warum? Der bekennende Gebetssatz stammt von Daniel. Im Prophetenbuch Daniel, Kapitel 9, 14 steht er. Daniel lebte damals in Babylon. Er war nicht freiwillig dorthin gekommen. Das Volk Israel lebte dort als besiegtes und verschlepptes Volk - in babylonischer Gefangenschaft. Zuhause hatten sie einen Krieg verloren. Jerusalem war besiegt, der Tempel zerstört, die Häuser in Trümmern. Nun saßen sie im fremden Land, aßen fremdes Brot, dienten fremden Herren. Und Gott? Hat er uns verlassen?, fragen sie. Oder hat er versagt?

Daniel spricht ein langes Gebet. Ein Bußgebet. Und noch mehr ein Vertrauensgebet. Dabei macht er etwas Wichtiges: Er klagt zu Gott. Er wirft ihm das ganze Elend hin. Er legt ihm das Leid vor. Aber er lässt Gott Gott sein. Daniel setzt Gott nicht auf die Anklagebank. Er bekennt ihn als Herrn der Welt und als Lenker seines Lebens – und er weiß: Gott macht es recht, auch wenn ich es nicht immer verstehe. Da klingt ein tiefes Vertrauen durch. Das wird deutlich, wenn wir uns klarmachen, was das Wort „gerecht“ hier bedeutet. Wir sagen: Gerecht ist ein Richter, wenn er neutral urteilt. Gerecht ist ein Schiedsrichter, wenn er nicht eine Mannschaft bevorzugt. Gerecht ist jemand, der sozusagen unbeteiligt hinsieht und wertet. So sagen wir. Wenn die Bibel aber davon spricht, dass Gott gerecht ist, dann meint sie etwas anderes. Nicht, dass Gott unbeteiligt ist. Im Gegenteil. Gott beteiligt sich. Er macht es recht. Er macht uns wieder recht vor ihm.

Daniel bringt es auf den Punkt. Ein paar Verse nach dem Bibelwort, dass Gott gerecht ist, betet er: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Damit sagt er: Wir wollen aufhören, Gott nach unseren Gerechtigkeitsvorstellungen anzuklagen. Sondern wir vertrauen darauf, dass Gottes Güte uns umgibt – trotz allem Schweren, das Menschen sich antun, und trotz allem Leid, das wir erleben. Später hat es Paulus genau so gemeint, wenn er im Römerbrief erklärt: Gottes Gerechtigkeit heisst: Gott ist für uns. In Jesus hat er es gezeigt. Nichts kann uns von seiner Liebe trennen. Darauf vertrauen wir.

Kann die Familie, die um den Mann und Vater trauert, auch so vertrauen? Bei Daniel sehen wir: Gott verbietet die Klage nicht. Trauern ist wichtig und braucht seine Zeit. Aber es muss kein bodenloses Trauern bleiben. Es kann im Tiefsten getragen sein vom Vertrauen: Gott meint es gut, und um seine Hilfe und Barmherzigkeit können wir trotz allem bitten. Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden wie in Nigeria und anderswo, haben oft erzählt: Gerade in allem Schweren haben wir Gottes Nähe in besonderer Weise erfahren. Gott macht es recht mit uns. Zu solchem Vertrauen macht Daniel heute Mut.

Autor/-in: Prälat Ulrich Mack