02.06.2009 / Wort zum Tag

Daniel 4,32

Er macht's, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Und niemand kann seiner Hand wehren noch zu ihm sagen: Was machst du?

Daniel 4,32

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„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ So fragt die böse Königin in dem Märchen Schneewittchen und schaut dabei in einen Spiegel. Der Spiegel antwortet Frau Königin: "Ihr seid die Schönste im ganzen Land." Da war sie zufrieden; denn sie wusste dass der Spiegel die Wahrheit sagte.

Die böse Königin ist eine Gestalt aus der Märchensammlung der Gebrüder Grimm.
Wenn ich am frühen Morgen noch schlaftrunken ins Bad schlurfe und in meinen Spiegel schaue, braucht der mir nicht zu sagen, ob ich der Schönste im Land bin. Ich weiß eines sicher, ich sehe nicht wie ein Filmstar aus. Nun bin ich ja auch keine böse Königin aus einem Märchen, aber manchmal ertappe ich mich selbst bei einem sehr heimtückischen Gedanken. Dabei geht es nicht um Schönheit, sondern um vermeintlichen Erfolg. Manchmal frage ich mich nämlich: Ist nicht der Gottesdienstbesuch bei meinem Kollegen mehr gestiegen als bei mir? Sein Gottesdienst ist offensichtlich attraktiver. Und schon schaue ich in den Spiegel. Der Versucher ist da. Er weiß, wo er mich packen kann. Wir brauchen nicht den Schönen und Mächtigen dieser Welt vorzuwerfen, dass sie nach noch mehr Schönheit und noch mehr Macht gieren, wir stolpern und stürzen in die gleiche Falle. Gesegnet ist, der da einen guten Freund oder Berater hat.

Der Losungstext für heute stammt aus einem Buch der Bibel, in dem es um einen solchen guten Berater geht. Ein junger gebildeter Mann aus Israel arbeitet am Hof des Königs von Babylon. Sein Name ist Daniel. Er wurde als kleiner Junge von den babylonischen Truppen verschleppt. Kam nach Babylon und nun lebt er am Königshof als Chefberater. Die Machtfülle des Königs von Babylon ist kaum noch zu steigern. Der König trägt in der Bibel den Namen Nebukadnezar. Eines Tages bekommt er schwere Vorahnungen. Träume rauben ihm den Schlaf. Er ruft Daniel zu sich. Daniel redet mit dem König eindringlich. Mache dich los und ledig von deinen Sünden durch Gerechtigkeit. Der König hört nicht auf ihn. Auf dem Höhepunkt seiner Macht sagt er zu sich selbst: „Das ist das große Babel, das ich erbaut habe durch meine große Macht.“ Der König ist berauscht von seiner eigenen Machtfülle. Kurz darauf verliert er den Verstand. Wird aus der Gemeinschaft der Menschen ausgeschlossen. Lebt wie ein Tier. Sein Leib liegt unter dem Tau des Himmels, sein Haar wächst so lang wie Adlerfedern.

Dann kommt die Wende. Gott gibt ihm die Chance der Erkenntnis. Im Buch Daniel fügt sich an dieser Stelle das persönliche Bekenntnis dieses Königs an. Es beginnt so: „Nach dieser Zeit hob ich Nebukadnezar meine Augen auf zum Himmel und mein Verstand kam wieder.“ Und weiter heißt es: „Ich lobte den Höchsten und pries den, der ewig lebt ... er macht’s wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Und niemand kann seiner Hand wehren noch zu ihm sagen: Was machst du?“ Das ist ein Satz eines mächtigen Mannes, der zu neuer Erkenntnis findet. Seine Machfülle raubte ihm den Verstand. Nun darf er umkehren und erkennt Gott an. Indem er die Macht Gottes in seinem Leben akzeptiert und zulässt, dass Gott das letzte Wort hat, findet er auch den Verstand wieder.

"Spieglein, Spieglein an der Wand ..." Sie erinnern sich. Beim einen geht es um Schönheit. Beim andern um Macht. Welche Macht verdrängt Gott aus der Mitte des Lebens? Wir müssen aufpassen, dass wir bei dieser Frage nicht nur "die da oben" in der Gesellschaft im Blick haben. Es ist heute schnell auf die Manager und die Politiker geschimpft, die Gott aus dem Blick verloren haben. Aber an uns die Rückfrage: Haben wir für diese Verantwortungsträger heute schon gebetet? Wenn nicht, sollten wir es schnell tun. Diese Menschen brauchen unser Gebet. Es herrscht auch unter ihnen viel Einsamkeit, und mancher in diesen Positionen bräuchte solche Berater wie den Daniel. Ich will heute für diese Menschen beten und das Bekenntnis nachsprechen: Ich bin bereit, die Macht Gottes in meinem Leben zu akzeptieren. "Er macht’s wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Und niemand kann seiner Hand wehren noch zu ihm sagen: Was machst du? Ihm, unsrem Gott, sei Lob, Preis und Ehre, sein Tun ist Wahrheit und seine Wege sind recht, und wer stolz ist, den kann er demütigen." Dieser Satz gilt auch mir.
Autor/-in: Pfarrer Tilo Brach