06.05.2020 / Bericht

Bremer Pastor im Visier des Staatsschutzes

Olaf Latzel wird „Volksverhetzung“ zur Last gelegt, doch seine Gemeinde betont: „Wir selbst sind seit Jahren Ziel von Straftaten.“

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In einer freiheitlichen Demokratie hat diese Berufsgruppe eher selten mit Polizei und Staatsanwaltschaft zu tun: Pfarrerinnen und Pfarrer. Deshalb sorgt die Anzeige gegen Olaf Latzel auch bundesweit für Interesse: der Staatsschutz ermittelt gegen den als konservativ geltenden Bremer Pastor wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. Latzel soll homosexuell lebende Menschen beleidigt haben. Die Kirchenleitung distanziert sich von ihrem Pastor, doch in einer Online-Petition solidarisieren sich tausende mit ihm. Was ist dran an den Vorwürfen? Auch uns haben Fragen von Hörerinnen und Hörern erreicht. ERF-Reporterin Regina König hat die Fakten zusammengestellt im Gespräch mit Moderatorin Ute Zintarra.

Christopher-Street-Day-Verein erstattet Anzeige
 

ERF: Was wird Olaf Latzel konkret vorgeworfen?

Regina König: Im Oktober 2019 hat Pastor Latzel in seiner Bremer St. Martinigemeinde ein Eheseminar gehalten. In diesem Seminar soll er Homosexuelle als „Verbrecher“ bezeichnet haben, damit steht der Vorwurf der Diskriminierung Homosexueller im Raum. Sein Vortrag wurde aufgezeichnet und auf Youtube veröffentlicht. Jetzt ist das Video allerdings nicht mehr einsehbar. Ein halbes Jahr später hat der Christopher-Street-Day-Verein nun Anzeige erstattet wegen Volksverhetzung. Jetzt ermittelt der Bremer Staatsschutz.
 

ERF: Wie reagiert der Pastor?

Regina König: Öffentlich will sich Olaf Latzel zur Zeit nicht äußern. Ich habe mit ihm telefoniert, aber er möchte in dieser schwebenden Verfahrenssituation weder interviewt noch zitiert werden. Allerdings hat er am Sonntag in der St. Martinikirche in einem Online-Gottesdienst eine Erklärung verlesen, in der er bestreitet, Homosexuelle grundsätzlich als Verbrecher bezeichnet zu haben. Vielmehr habe er konkrete Personen gemeint, so wörtlich, „die uns als Gemeinde in den letzten Jahren immer wieder angegriffen und gotteslästerlich diffamiert haben.“ 

Latzel entschuldigt sich bei Homosexuellen

So gab es z.B. Störungen in einem Gottesdienst, bei der etwa 50 gleichgeschlechtliche Paare in die Kirche eindrangen und sich küssten und sich offenbar im Anschluss mit Polizisten prügelten. Olaf Latzel entschuldigt sich allerdings ausdrücklich dafür, dass der Eindruck entstanden ist, er halte generell Homosexuelle für Verbrecher. Das sei selbstverständlich nicht seine Meinung. Homosexuelle seien auch in seiner Gemeinde willkommen. Und wörtlich: „Allerdings wird in unserer Gemeinde klar zwischen dem eindeutigen „Ja“ zum Sünder und dem ebenso eindeutigen „Nein“ zur Sünde unterschieden.“

Gottesdienstbesucher werden mit Kondomen beworfen

ERF: Was sagt der Kirchenvorstand zu all diesen Vorgängen?

Regina König: Der stellt sich mit einer öffentlichen Erklärung  „ohne Einschränkung“ hinter Olaf Latzel. „In St. Martini wird kein menschenverachtendes Gedankengut verbreitet,“ so steht es in der Erklärung des Kirchenvorstandes. Darin wird auch beklagt, dass die Kirche immer wieder Vandalismus ausgesetzt ist und dass Gottesdienstbesucher beleidigt werden. Da ist z.B. die Rede von Störern, die Kondome auf Gottesdienstbesucher werfen. Außerdem gingen schon zwei Morddrohungen im Pfarrbüro ein.

Kirchenleitung distanziert sich «auf das Schärfste»

ERF: Wie reagiert die Bremische Kirchenleitung?

Regina König: Die Leitung der Bremischen Evangelische Kirche hat «auf das Schärfste» Äußerungen ihres Pastors Olaf Latzel verurteilt.  Und weiter: „Als Kirchenleitung stehen wir klar an der Seite homosexuell lebender Menschen.“  Zu einem Telefoninterview standen Repräsentanten der Kirchenleitung nicht zur Verfügung. Jetzt werden dienstrechtliche Schritte geprüft und zunächst ist ein Dienstgespräch angesetzt. Derweil fordert die Gesamt-Mitarbeitendenvertretung der Bremischen Evangelischen Kirche die Suspendierung Latzels.
 

ERF: Am Wochenende startete eine Online-Petition, deren Unterzeichner sich mit Olaf Latzel solidarisieren; was treibt die Macher dieser Aktion an?

Regina König: Sie setzen sich nach eigenen Angaben für Glaubens- und Meinungsfreiheit innerhalb der evangelischen Landeskirchen ein. Bis jetzt (Stand Mittwoch Mittag) haben etwa 8000 Menschen aus ganz Deutschland unterschrieben, Kommentare sind zu lesen wie „Die Freiheit der Predigt der biblischen Prinzipien muss gewahrt bleiben!“ oder „Gottes Wort darf nicht verbogen werden“. Diese Petition lässt aber auch Gegenargumente zu, da ist z.B. zu lesen: „Dieser Mann gehört in der heutigen Zeit nicht auf eine Kanzel.“ Die Plattform nennt sich OpenPetition.

Bis zu 5 Jahren Freiheitsentzug

ERF: Was steht für Olaf Latzel auf dem Spiel?

Regina König: Zum  Beispiel seine Freiheit: der Tatbestand der „Volksverhetzung“ kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bestraft werden. 2015 wurde schon einmal gegen Olaf Latzel wegen Volksverhetzung ermittelt. Damals hatte er in einer Predigt Buddhisten, Muslime und Katholiken offenbar beleidigt. Die Äußerungen waren nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft allerdings durch die grundgesetzlich zugesicherte Meinungs- und Religionsfreiheit gedeckt.

So kann es auch diesmal sein, dass das Verfahren eingestellt wird. Und wenn Olaf Latzel keiner Straftat überführt wird, kann auch die Kirchenleitung gegen den Pastor als Beamten kein Disziplinarverfahren eröffnen. Welche Außenwirkung das alles allerdings haben wird, bleibt abzuwarten.

Autor/-in: Regina König

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