04.11.2022 / Wochenrückblick

Brasilien – ein gespaltenes Land?

Der Freitagstalk des ERF Aktuell-Teams.

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Der Freitagstalk vom 04.11.2022

Gaskrise, Inflation und Teuerung: reichen die von Bund und Ländern in dieser Woche beschlossenen Entlastungen aus? Der Wahlkampf in Brasilien war hitzig – wie findet das Land wieder zusammen? Am Sonntag beginnt die EKD-Synode in Magdeburg, auf der Tagesordnung stehen Themen wie Klimaschutz und sexualisierte Gewalt. Über das und mehr sprechen im Freitagstalk der ERF Aktuell-Redaktion David Sander und Regina König.

Sozial ungerecht

ERF: Regina, am Mittwoch haben sich Bund und Länder auf weitere Entlastungen für Privathaushalte und Unternehmen geeinigt. Die Diakonie Deutschland ist aber nicht damit zufrieden.

Regina König: Nein, Diakonie-Präsident Ulrich Lilie findet die geplanten Entlastungen „sozial ungerecht“. Insbesondere kritisiert er, dass der Staat im Dezember für alle Bürgerinnen und Bürger die Gasrechnung bezahlt. Somit auch für Millionäre. Die Gas- und Strompreisbremse beurteilt er hingegen als sinnvoll, da sie Planungssicherheit bedeute. Kritik übt Lilie außerdem am 49-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, da hätte ein Sozialticket für 29 Euro dazukommen müssen, so der Diakoniepräsident.

Wahlunterschiede

ERF: Blicken wir von Deutschland nach Brasilien. Nach dem heißen Wahlkampf zwischen Jair Bolsonaro und Luiz Inácio Lula da Silva scheint das Land ähnlich gespalten wie die USA.

Regina König: Ja, das Land benötige jetzt Geduld und Ausdauer, sagte die brasilianische Theologin Cristina Scherer gegenüber dem Evangelischen Pressedienst, epd. Der anstehende Machtübergang von Bolsonaro zu Lula da Silva werde die Polarisierungen in den Familien und der Gesellschaft nicht automatisch beenden. Wichtig sei jetzt, dass „Menschen mit anderer Meinung nicht als Feinde gesehen werden,“ so die Pastorin, die als Referentin für das Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen arbeitet.
 

ERF: Ähnlich wie in den USA haben im Wahlkampf auch christliche Gemeinden parteipolitisch Position bezogen.   

Regina König: Ja, insbesondere evangelikale Gemeinden haben sich auf die Seite Bolsonaros gestellt, u.a. weil er gegen Abtreibung ist. Viele Anhänger habe Bolsonaro aber auch unter ev.-lutherischen Christen in Brasilien gewählt, sagt Cristina Scherer. Manche Gemeindemitglieder hätten sogar gefordert, dass die Kirche offen für Bolsonaro eintrete. „Doch die Kanzel ist reserviert für das Evangelium“, so die brasilianische Theologin. Zudem gibt es laut TV-Berichten auch evangelikale Christen, die sich für den liberalen Gewinner Lula da Silva während des Wahlkampfs stark gemacht haben. Das Bild ist also durchaus vielschichtig in Brasilien.

Fortschritte

ERF: Am Sonntag startet die EKD-Synode in Magdeburg. Das Parlament der Evangelischen Kirche in Deutschland tagt einmal im Jahr und hat sich neben Haushaltsplänen und diversen Kirchengesetzen drei große Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Es geht um Klimaschutz und um Missbrauch und die Friedensethik angesichts der Ukrainekrieges.

Regina König: Bei der Aufklärung von sexuellem Missbrauch gibt es offenbar deutliche Fortschritte. Im vergangenen Jahr hat die EKD-Synode ein Beteiligungsforum ins Leben gerufen, dem Kirchenvertreter und Betroffene angehören. Dies sei ein Meilenstein, sagte der Sprecher der Betroffenen, Detlev Zander, dem Evangelischen Pressedienst. Denn jetzt hätten Menschen, die selbst sexualisierte Gewalt in Kirche und Diakonie erlebt hätten, „weitreichenden Einfluss“. „Wir arbeiten gut zusammen, hart in der Sache, aber fair im Umgang“, so Zander.
 

ERF: Grundsätzlich verliert die evangelische Kirche allerdings immer mehr Mitglieder. Wird das auch Thema sein auf der Synode?

Regina König: Eigentlich sind fast alle Themen geprägt von diesem Mitgliederrückgang. Der ist ja auch enorm: nur noch knapp 20 Millionen Deutsche sind evangelisch. Um die Mitgliederbindung zu verbessern, setzt die Präses der EKD-Synode, Nicole Heinrich, auf eine bessere digitale Kommunikation. Kirche müsse „zielgenau und erkennbar auf unterschiedlichsten digitalen Kanälen mit den Mitgliedern kommunizieren.“
 

ERF: Und dann steht noch der Klimaschutz auf der Tagesordnung.

Regina König: Wie konkret die Entscheidungen dazu ausfallen, bleibt abzuwarten, hier wird zunächst auf dem Podium und in Gesprächsgruppen diskutiert. Kontrovers dürften die Einschätzungen zum Ukrainekrieg ausfallen. Das Spektrum unter den Synodalen ist weit gespannt zwischen Pazifismus auf der einen Seite und der Unterstützung von Waffenlieferungen auf der anderen Seite. Eine Entscheidung zum Klimaschutz ist jedoch schon gefallen: auf der mehrtägigen Tagung werden ausschließlich vegetarische Menüs serviert.
 

ERF: Herausfordernde Zeiten für Fleischliebhaber - und mit diesem kulinarischen Ausblick auf die EKD-Synode verabschieden wir uns und wünschen ein erholsames und friedliches Wochenende.
 

Autor/-in: Regina König

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