31.08.2023 / Wort zum Tag

„Bitte, gib mir Brot!“

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Matthäus 6,11

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Vor Jahren sagte ein Atheist einmal zu mir: „Wenn es einen Gott gäbe, dann dürfte er nicht zulassen, dass so viele Menschen hungern.“ Das unermessliche Leid in der Welt ist das Argument gegen die Existenz Gottes, das mich am meisten ratlos macht. Auch deshalb, weil ich diese Frage selbst habe: Gott, warum gibt es so viel Hunger in dieser Welt?

Sicher, ganz viel Elend ist durch Menschen verursacht. Es ist zu billig, einfach Gott dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben. Andererseits – viele engagieren sich für mehr Gerechtigkeit und gegen den Hunger. Aber die zerstörenden Mächte sind stark. Könnte Gott das Gute nicht mehr unterstützen?

Wie komme ich auf solche Gedanken? Durch den Lehrtext der Herrnhuter Brüdergemeine von heute. Er steht im Matthäusevangelium im 6. Kapitel und lautet: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ 

Eine Bitte aus dem Gebet, das Jesus seine Jünger gelehrt hat. Jesus hat Gott als Vater verkündigt. Ein Vater sorgt für seine Kinder. Also dürfen wir ihn ganz kindlich um alles bitten, was wir zum Leben brauchen. Das heißt nicht, dass wir einfach die Hände in den Schoß legen. Wir leben von unserer Hände Arbeit. Das tägliche Brot erfordert unseren ganzen Einsatz.

Aber zum Fleiß gehört auch der Segen. Wir haben das Gelingen nicht in der Hand. Wenn es uns gut geht, ist das immer auch ein Geschenk des Lebens an uns. Viele Millionen Menschen auf der Welt bekommen nie die Chance, sich in Frieden eine Existenz aufzubauen. Das Leben stellt Menschen in sehr unterschiedliche Bedingungen, erst recht, wenn wir es im globalen Kontext betrachten.

Die Bitte lautet nicht: „Mein tägliches Brot gibt mir heute.“ Sondern es heißt: „Unser tägliches Brot.“ Die biblischen Verheißungen gelten immer primär einer Gemeinschaft und nicht dem isolierten Einzelnen. Im Alten Testament führt Gott sein Volk ins gelobte Land. Im Neuen Testament sagt er der Gemeinde seine Gegenwart zu. Wir haben Jesus nie für uns allein, ohne die anderen. Deshalb können wir für unser tägliches Brot nicht bitten ohne den Blick zur Seite, wie es den anderen geht.

Natürlich haben wir nicht in der Hand, dass es gerecht in der Welt zugeht. Wir sind verstrickt in Zusammenhänge, die die einen bevorzugen und die anderen benachteiligen. Wir können dem nicht einfach entrinnen. Aber wir können dazu beitragen, dass es etwas gerechter zugeht. Dass wenigstens manche Menschen ihr tägliches Brot bekommen, denen es gerade fehlt. Wir können nicht alles ändern, aber wir sind auch nicht völlig machtlos. Wir können darauf achten, wo wir selbst von einem unfairen Handel profitieren. Als Konsumenten haben wir an vielen Stellen eine Wahl.

Die Bitte aus dem Vaterunser macht den Kampf gegen Armut und Hunger nicht überflüssig. Im Gegenteil! Solange Menschen sie vergeblich sprechen, muss uns das herausfordern. Deshalb erinnert mich diese Bitte an zwei Dinge. Zum einen: Es ist nicht selbstverständlich, wenn wir genug zu essen haben und alles, was man im Leben sonst noch so braucht. Bei allem, was ich selbst geleistet habe, bleibt es eine unverdiente Gnade. Andere haben es nicht, die vielleicht tüchtiger sind als ich. Und auch dass ich überhaupt etwas leisten und Geld verdienen kann, ist ein Geschenk Gottes. Ein einziger Unfall, eine verhängnisvolle Fehlentscheidung oder auch die böswillige Tat eines anderen kann mir das plötzlich nehmen.

Das andere, das mir Jesu Wort in Erinnerung ruft: Es geht nicht nur um mich. Ich darf die nicht vergessen, die vergeblich um ihr tägliches Brot bitten. Und ich muss mich fragen, was ich tun kann, damit auch sie bekommen, was sie brauchen.

Autor/-in: Martin Leupold