23.06.2024 / Aktuelles vom Tag

Angestoßen zum Ziel

Eine Fußball-Ballade von Cornelia Hause

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Heute Abend ist bei der Fußball-EM Anstoß für die deutsche Fußballnationalmannschaft zum dritten Gruppenspiel gegen die Schweiz. Das hat eine unserer ehrenamtlichen Autoren - Cornelia Hause aus dem sächsischen Wilkau-Haßlau - zum Anlass genommen, sich über diesen und andere Anstöße Gedanken zu machen. Entstanden ist ein Gedicht namens „Angestoßen zum Ziel“, das wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Es liest Mirjam Langenbach.

„Ihn selbst hat nie jemand gesehen. Doch wenn wir einander lieben, lebt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns zum Ziel gekommen.“ (1. Johannes 4,12)

Angestoßen zum Ziel

Einen Anstoß zu erhalten,
ist nicht nur dem Ball vergönnt.
Schwunghaft Tempo zu entfalten,
dass ihr weiterkommen könnt,
dazu braucht der Mensch Impulse,
denn das führt im besten Fall
dann zum Ziel. Ganz automatisch
rollt ins Tor ja kaum ein Ball.
Darum schreibe ich die Zeilen –
denn ein Anstoß voller Kraft
und zum Ziel hin bleibt zu wünschen,
weil er Leben glücklich macht.

Schon um 1470
kannte man den Billardtisch
Und das Spiel mit Queue und Kugeln
ist bis heute sicherlich
nicht so populär wie Fußball
doch es lebt vom Glücksgefühl,
regelkonform einzulochen
mit dem Sieg als letztes Ziel.
Fußball oder Billardkugeln –
angestoßen geht es los. 
Wenn sie in Bewegung kommen,
werden Spaß und Spannung groß.
Nun ist Leben nicht nur Spielen,
doch für Beides gilt konform,
dass es von begrenzter Dauer und
von Regeln lebt und Norm,
die am Schluss zum Maßstab werden,
ob gelungen gelten kann,
was am Ende dabei rauskommt.
Aufstieg oder Abstiegsrang.

Mancher Mensch baut auf den Zufall,
auf das Glück, am Zug zu sein,
wenn der Augenblick grad günstig
und der Widerstand nur klein.
Wenn der Mensch sich aber klarmacht,
dass ihm oft genug entgeht,
was den Zufall ausgelöst hat
und das Glück sich manchmal dreht,
gibt er zu - weil unumstritten –
dass die Ordnung kaum gewinnt,
wenn man auf den Zufall wartet,
der den Putzdienst übernimmt;
oder dass es von alleine
eigentlich nur abwärts geht
bis dahin, dass Pädagogik
an dem Vorbild fällt und steht.
Auch im Spiel mit Queue und Bällen
will der Sieg errungen sein
Und im Fußball muss das Runde
in das Eckige hinein.
Wer verliert, der hat verloren.
Und wer Pech hat, hat kein Glück.
Bälle, die vorm Tor ins Aus gehen,
holt ein Stürmer nicht zurück.
Ist das Spiel erst abgepfiffen,
macht kein neuer Anstoß Sinn.
Ist versenkt die schwarze Kugel
 vor der Zeit? Der Sieg ist hin.
Was beim Spielen nur enttäuschend,
darf im Leben nicht so sein.
Darum soll von einem Anstoß
andrer Art die Rede sein.

Neuen Anstoß - oft verborgen –
sichtbar erst im Resultat,
geben Menschen oft Gefühle
und Gedanken, die man hat.
Echte Liebe ist darunter
Gott sei Dank die größte Kraft,
denn sie bleibt die Favoritin,
selbst wenn es ein Gegner schafft,
sie ins Abseits zu befördern
und den Spielverlauf zu drehen.
Liebe kommt aus Gottes Quelle,
aus der Kraft aufzuerstehen.

Wenn zwei Menschen unterwegs sind,
ob ein Paar, ob Freunde nur
läuft ihr Leben ganz bestimmt nicht
nur im Gleis vertrauter Spur.
Da gibt es Karambolagen,
Frustration und Überschwang.
Für die Kraft vom ersten Anstoß
ist der Weg zum Ziel zu lang.
Dazu braucht es manchmal Abstand,
neuen Anstoß, Denkarbeit,
und den Dritten mit im Bunde, Perspektive Ewigkeit.

Ich denk an die beiden Männer
ums Jahr 30 unsrer Zeit.
Anstoß hatten sie bekommen,
waren danach gern bereit,
diesem Jesus nachzufolgen,
der mit Wundern und Esprit
damals große Hoffnung weckte.
Das riss auch die Beiden mit.
Sie gehörten nicht zum engsten
Kreis der Jünger, aber doch
fanden in dem Evangelium
sie am Schluss Erwähnung noch.
Jesus, von dem alle dachten,
dass er Israel befreit
von der Vorherrschaft der Römer
und von Ungerechtigkeit,
Jesus, der die Blinden heilen
und den Stürmen drohen kann,
der sogar vom Tod erweckte,
er war sicherlich der Mann,
den Gott Israel versprochen,
mindestens jedoch Prophet.
Die zwei Jünger hatten Ahnung
und sie wussten, wie es geht,
mit dem Sieger mitzulaufen
und im Schatten seiner Kraft
die Erfolge mitzufeiern bis er rief:
Es ist vollbracht!

Doch der Ruf des großen Siegers
wurde dann zum Todesschrei
und die Hoffnung auf Erlösung
brach für sie am Kreuz entzwei
als der Rabbi zwischen Mördern
angespien und ausgelacht
starb, da war das Spiel zu Ende.
Beide haben so gedacht.
Er, der Menschen auferweckte,
war nun selbst besiegt und tot.
Ihm, der alle Wunden heilte,
half am Kreuz nicht einmal Gott.

Weil den Beiden wie den andern,
die den Meister so verehrt,
jede Hoffnung war erloschen,
haben kaum sie hingehört
als die Frauen sonntagmorgens
aufgeregt und abgehetzt
riefen: Er ist auferstanden!
Das war für sie nur Geschwätz.
Gut, sie hatten noch einander,
ihre Freundschaft war ein Wert,
den sie sich bewahren wollten
und so schien es nicht verkehrt,
sich selbst einen Ruck zu geben
und die Dinge neu zu sehen,
die Apostel zu verlassen,
heim nach Emmaus zu gehen.
In zwei Stunden würden beide
in gewohntem Wanderschritt
abends noch das Ziel erreichen. –
Doch schon bald sind sie zu Dritt.

Und Gefühle und Gedanken,
die gerade sie geteilt,
haben sie auf dessen Frage
jenem Fremden mitgeteilt.
Ohne dass es schon ganz klar war,
kam die Hoffnung neu ins Spiel,
dass im Schauspiel von Karfreitag
nicht der letzte Vorhang fiel.
Denkanstöße zielgerichtet
trafen plötzlich passgenau:
Musste nicht der Christus leiden?
Hier steht es geschrieben: Schau!
Liebe geht nicht nur auf Höhen,
Liebe siegt nicht ohne Leid.
Gott will allen Menschen helfen
und nicht nur ein Reich auf Zeit.
Fasziniert folgt im Erklären
dieses Fremden Zug um Zug.
Als sie vor dem Wohnhaus stehen,
haben sie noch nicht genug:
Bleib bei uns noch diesen Abend!
Bitte! drängen sie den Mann,
Und er bleibt, weil er den letzten
Anstoß will und geben kann.

Gott, die Quelle der Gemeinschaft,
die das Leben erst erfüllt,
teilte selbst mit uns sein Leben
und das Brot dient ihm als Bild.

Überrascht sehn unsre Freunde,
dass der Fremde ihr Brot bricht
so als wär er hier zu Hause
und das Dankgebet laut spricht.
Als er es den beiden Menschen
in die Hände legt, wird klar,
wer der Dritte auf dem ganzen
langen Weg gewesen war.
Und als ihre Augen leuchten,
als sie Beide es verstehen,
dass ihr Jesus noch im Spiel ist,
können sie ihn nicht mehr sehen.
Doch die Kraft aus der Begegnung mit dem,
der einst war und bleibt,
gibt den Anstoß loszulaufen
und so wie es Lukas schreibt,
es den andern zu erzählen.
Doch auch dort war Christus schon
war dem Petrus schon begegnet
als der Sieger, Gottes Sohn.

Dieser Anstoß gab die Richtung
für den Weg der Christenheit:

Sind die Wege dir für Liebe
nie zu schwer und nicht zu weit,
schreibt Gott selbst die neuen Regeln,
rollt die Steine aus dem Weg,
so dass es gerade startet dann,
wenn scheinbar nichts mehr geht.

Einen Anstoß zu erhalten,
ist nicht nur dem Ball vergönnt.
Wer bewegt wird von der Liebe,
nie umsonst durchs Leben rennt.