13.04.2018 / Interview

Akte Jesus: Den Indizien auf der Spur

Ermittler J. Warner Wallace nimmt sich den größten Fall seines Lebens vor.

„Cold-Cases“ (deutsch: Ungeklärte Fälle) sind Kriminalfälle, die auch nach jahrelanger Ermittlung niemand lösen konnte. Meistens übernimmt dann eine Spezialeinheit wie die von J. Warner Wallace. Er löste Fälle, die für Jahrzehnte rätselhaft geblieben waren. Mehrere davon wurden von US-Fernsehsendern dokumentarisch verfilmt. Eines Tages musste J. Warner Wallace den größten Fall seines Lebens lösen: Die Akte „Jesus“.
 

ERF: Mister Wallace, wie sind Sie Cold-Case Emittler geworden?

J. Warner Wallace (Bild: Mmmaardvark, via Wikimedia Commons [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0 CC BY-SA 4.0]

Warner Wallace: Wie bei der amerikanischen Polizei üblich, begann ich meine Laufbahn im Streifendienst. Nach einiger Zeit kam ich zum SWAT, unserer taktischen Spezialeinheit. Dann habe ich mehrere Jahre undercover gearbeitet. Schließlich bot man mir eine Stelle bei der Einheit für Einbrüche und Mord an. Als ich dort anfing, gab es rund 30 ungelöste Mordfälle. In Amerika gibt es dafür keine Verjährungsfrist. Wir hatten also eine Reihe Mordfälle, die noch aus den 1960er und 1970er Jahren stammten. Nach einiger Zeit habe ich zusammen mit einem Team den Löwenanteil der 30 Fälle gelöst und die Typen hinter Gitter gebracht.
 

ERF: Wie gehen Sie als Cold-Case Ermittler vor?

Warner Wallace: Wir wählen unseren nächsten Fall meist aufgrund seines Alters aus. Denn wenn alle Zeugen gestorben sind, können wir nicht mehr ermitteln. Zuerst suchen wir nach Wegen, ihn zu reaktivieren. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, neue Indizien vorzulegen. Alles andere wäre unfair dem Verdächtigen gegenüber. Denn nach 25 Jahren hat er vielleicht keinen Zugriff mehr auf Leute, die er damals zu seiner Verteidigung heranziehen konnte. Also muss man kreativ sein und nachdenken: Was hat sich in den letzten 25 Jahren geändert? Es kommt vor, dass Leute vor 25 Jahren aus Angst nicht aussagen wollten, aber heute dazu bereit sind. Wir suchen nach Mustern. Manchmal verraten sich Täter in den Jahren nach dem Mord durch ihr Verhalten, ohne dass es jemand bemerkt hat.

Wie Wallace die Täter hinter Gitter bringt

ERF: Manchmal haben Sie also keine „harten“ Beweise. Müssen Sie dann nicht sehr gute Indizien haben, um jemand ins Gefängnis zu bringen?

Warner Wallace: Eine Kategorie wie „harte Beweise“ gibt es nicht. Vor Gericht gibt es nur zwei Arten von Beweisen: Direkte und indirekte. Als direkter Beweis gilt das Zeugnis eines Augenzeugen. Indirekte Beweise sind alles andere: DNA, Fingerabdrücke, Verhaltensmuster. Augenzeugen haben wir meistens nicht, sonst wären die Fälle schon vor 25 Jahren gelöst worden. Also muss ich den Prozess mit sogenannten Indizienbeweisen führen.
 

INFO: J. Warner Wallace arbeitete bei der Spezialeinheit SWAT, dann als verdeckter Ermittler und schließlich viele Jahre als Cold-Case Detective. Seine Fälle wurden unter anderem in der NBC-Serie „Dateline“ dokumentarisch verfilmt. Im Alter von 35 Jahren wandte der überzeugte Atheist bewährte Verhörtechniken auf die Evangelien an und fand dadurch zum Glauben an Jesus. Seitdem hat er zahlreiche Bücher geschrieben, darunter Cold-Case Christianity, God’s Crime Scene und Forensic Faith.

ERF: Wie sieht das aus?

Wenn jemand ein falsches Alibi angibt, ist das noch kein Beweis dafür, dass er schuldig ist. Und wenn wir bei ihm zu Hause eine zum Mord passende Waffe finden, ist das auch noch kein Beweis. Dann finden wir heraus, dass er etwas von seiner Hose abgewaschen hat. Wieso hat er seine Hose genau an dem Tag des Mordes gereinigt und hat dann auch noch die Mordwaffe und ein falsches Alibi?

Außerdem finden wir noch heraus, dass nur zwei Personen Zugang zu der Wohnung des Opfer hatten und dass er eine davon ist. Je mehr Puzzlestücke man sammelt, desto unausweichlicher wird es, dass er der Täter ist. Vor Gericht müssen wir so viele Indizien vorbringen, bis die Jury überzeugt ist: ‚Wow, okay, es spricht einfach alles gegen diesen Typen.‘ Für mich hat diese Art der Beweisführung eine ganz besondere Bedeutung. Denn als ich anfing, mich mit dem christlichen Glauben zu beschäftigen, wusste ich, dass ich keine Augenzeugen aus der Zeit Jesu vernehmen konnte. Ich musste diesen Fall durch Indizienbeweise lösen, so wie ich es mit allen meinen Fällen mache.

So hat der Fall „Jesus“ den Ermittler gepackt

ERF: Mit ihren Erfahrungen und ihrem Interesse an Indizien: Was haben Sie davor über den christlichen Glauben gedacht?

Warner Wallace: Ich hatte hier und da Gespräche mit Leuten, von denen ich wusste, dass sie Christen sind — eine ganze Reihe von ihnen Polizisten. Sie waren nicht wirklich vorbereitet, mir die Belege für oder gegen den Glauben zu zeigen. Sie konnten mir fünf Gründe nennen, warum sie glaubten, dass dieser oder jener Typ der Mörder ist. Aber sie konnten mir keine fünf Gründe nennen, warum sie glaubten, dass die Bibel glaubwürdig ist. Für mich war klar: Wenn Christsein heißt, dass ich die Beweislage ignorieren muss, bin ich nicht interessiert. Erst mit 35 habe ich angefangen, mich für die Evangelien zu interessieren.
 

Wenn Christsein heißt, dass ich die Beweislage ignorieren muss, bin ich nicht interessiert. Erst mit 35 habe ich angefangen, mich für die Evangelien zu interessieren. - J. Warner Wallace

ERF: Was hat Ihr Interesse an den Evangelien geweckt?

Warner Wallace: Meine Frau war immer der Meinung, dass es einen Gott gibt. Aber obwohl wir damals schon 18 Jahre zusammen waren, haben wir nie darüber geredet. Dann haben wir Kinder bekommen und meine Frau hat überlegt, ob wir sie christlich erziehen sollen. Sie wollte sich die Kirche wenigstens mal anschauen und ich ging mit ihr. Und dann sitze ich in diesem Gottesdienst in einer großen Kirche hier in Südkalifornien. Von all den Dingen, die der Pastor sagte, werde ich eines nie vergessen.

Er beschrieb Jesus als den klügsten Menschen, der je gelebt hat. Er sagte das in Bezug auf Jesu moralische Lehren. Und ich war ja Polizeibeamter. Ich vollstreckte die moralischen Normen unserer Kultur, die Gesetze. Und hier stand der Pastor und behauptete: Alle unsere moralischen Normen basieren auf den Lehren dieses Jesus von Nazareth. Ich wollte nachschauen, ob das stimmt. Also habe ich mir für sechs Dollar eine der kleinen Kirchenbibeln gekauft, die hinten in den Sitzbänken stecken. Ich war nicht bereit, viel Geld dafür auszugeben. Dann habe ich sie gelesen, aber natürlich mit den Augen eines Ermittlers.

Wir haben eine Disziplin mit dem Namen forensische Aussagen-Analyse. Sie kommt zum Einsatz, wenn wir Leute verhören und uns dann später die Niederschrift davon ansehen. Wir untersuchen jedes kleine Wörtchen, um zwischen den Zeilen Hinweise aufzuspüren. Ich konnte einfach nicht anders, als die gleiche Methode auf die Evangelien anzuwenden. Und als ich das tat, wuchs in mir die Überzeugung, dass das glaubwürdige Augenzeugenberichte sind.

„Diese Entscheidung hat alles verändert“

ERF: Wie das?

Warner Wallace: Es gibt Standards, anhand derer wir Augenzeugen bewerten. Diesen Standard habe ich an die Evangelien gelegt. Zum Beispiel: Waren sie wirklich an Ort und Stelle um zu sehen, worüber sie berichten oder wurde das irgendwann später geschrieben? Bei allen Kriterien bestanden die Evangelien den Test immer und immer wieder.

Natürlich gibt es bei jedem Fall auch ungelöste Fragen. Ich habe noch nie an einem Mordfall gearbeitet, bei dem ich der Jury alle Fragen beantworten konnte. Jury-Mitglieder werden in Amerika vorher gefragt: ‚Sind Sie jemand, der auf jede Frage eine Antwort braucht?‘ Wenn sie ‚Ja‘ sagen, werden sie nicht zugelassen, weil niemals alle Fragen beantwortet werden können. Auch ich hatte noch offene Fragen, als ich die Evangelien durchkämmte. Trotzdem hatte ich mehr als genug Grund zu glauben, dass sie mir die Wahrheit erzählten.

Ich hatte noch offene Fragen, als ich die Evangelien durchkämmte. Trotzdem hatte ich mehr als genug Grund zu glauben, dass sie mir die Wahrheit erzählten. - J. Warner Wallace



ERF: Gab es einen bestimmten Tag oder eine bestimmte Situation, in der Sie sich für Jesus entschieden haben?

Warner Wallace: Sechs Monate habe ich die Evangelien untersucht und natürlich musste ich mich irgendwann entscheiden, ob ich mich darauf einlasse oder nicht. Aber zu der Zeit habe ich noch gar nicht verstanden, worum es bei der christlichen Botschaft geht. Ich habe mich erst mal auf die Frage konzentriert, ob der Bericht über Jesus überhaupt wahr ist. Sich Christus anzuvertrauen ist nochmal ein ganz anderer Schritt.

Nach den Evangelien begann ich, die Paulus-Briefe zu lesen, in denen Paulus über die menschliche Natur schreibt. Dass alle Menschen gesündigt haben. Dass niemand von sich aus nach Gott und nach dem Guten fragt. Ich habe gemerkt, dass er damit mich genau beschreibt und dass ich die Vergebung brauche, die das Evangelium anbietet. Aber ich wäre nie bereit gewesen, mir anzuhören, was die Bibel über mich sagt, bevor ich verifiziert hatte, was die Bibel über Jesus sagt.Denn ich wusste, wenn ich sage: Ja, ich bin dabei. Dann wird das mein ganzes Leben verändern — meine Wünsche und Ziele, einfach alles.

Ich wäre nie bereit gewesen, mir anzuhören, was die Bibel über mich sagt, bevor ich verifiziert hatte, was die Bibel über Jesus sagt. – Cold-Case Detektiv Warner Wallace

ERF: Wie würden Sie einem Außenstehenden erklären, was sich für Sie verändert hat?

Warner Wallace: Es war nicht so, dass ich Lebenshilfe suchte, weil ich Drogen- oder Alkoholprobleme hatte. Vielen Menschen hilft Gott aus solchen Situationen. Aber ich glaube nicht, dass es beim Glauben in erster Linie darum geht, irgendwelche Vorteile davon zu haben. Der größte Vorteil ist für mich, die Realität so zu sehen, wie sie wirklich ist.

Du siehst deinen Platz im Universum. Manchmal kann das super sein und manchmal macht es das Leben komplizierter. Aber du wirst die Wahrheit kennen. Wenn du eine falsche Vorstellung davon hast, wo wir herkommen, hast du auch eine falsche Vorstellung davon, was deine Bestimmung in diesem Universum ist. Wenn du eine falsche Vorstellung über deine Bestimmung hast, hast du auch eine falsche Vorstellung davon, was mit dem Universum nicht stimmt und wie du damit umgehen sollst. Der christliche Glaube gibt dir einen objektiven Maßstab, an dem du dein Leben ausrichten kannst, auch wenn das manchmal schwer ist. Darin liegt für mich die Schönheit des christlichen Glaubens.

Tipps für Skeptiker

ERF: Stellen Sie sich vor, ich wäre ein Skeptiker. Vielleicht suche ich nach Wahrheit, aber mir fehlen die Beweise für Gott. Wo kann ich bei meiner Suche anfangen?

Warner Wallace: Ich sage den Leuten meistens folgendes. Zuallererst beantworte diese Frage ehrlich in deinem Herzen: ‚Wenn die christliche Botschaft die Wahrheit wäre, würdest du Christ werden? Das ist jetzt ein Gedankenexperiment. Wenn es nachweislich wahr wäre, würdest du dich dieser Wahrheit beugen?‘ Sie wären erstaunt, wie viele Leute daraufhin sagen: ‚Ich weiß es nicht.‘ Viele Leuten lehnen den Glauben nicht ab, weil er wahr oder falsch ist, sondern weil sie die Konsequenzen nicht mögen. Aber dann gibt es für mich keine Möglichkeit, ihnen genug Beweismaterial zu liefern. Es ist kein Kopf—, sondern ein Herzproblem.

Wenn du wirklich ehrlich bist und nach Belegen suchst, können wir definitiv darüber reden. Was am Christentum stellt eine intellektuelle Hürde für dich dar? Hat es mit den Wundern zu tun? Auch Atheisten glauben an etwas Übernatürliches. Ich habe früher als Atheist an die Urknall-Kosmologie geglaubt. Also dass Raum, Zeit und Materie an einem Punkt in der Vergangenheit aus dem Nichts entstanden sind. Mit anderen Worten: Was auch immer den Urknall ausgelöst hat, war weder Raum, Zeit noch Materie. Also glaubst du als Atheist schon an etwas da draußen, das nicht natürlich sondern übernatürlich ist und alles ins Dasein gerufen hat.

Die meisten Atheisten würden darauf wohl antworten: Vielleicht war das irgendeine unpersönliche Kraft. Okay, aber kann diese Kraft moralische Werte erklären? Kann diese Kraft Bewusstsein erklären? Kann sie freien Willen erklären? Kann sie einen Sinn für Gerechtigkeit erklären? Und wie ist es mit Information, wie wir sie in der DNA finden? Nur Bewusstsein kann Information schaffen. Ich würde sagen, wir haben allen Grund anzunehmen, dass es sich bei dem ersten Verursacher um ein Wesen mit einer Persönlichkeit handelt. Das bringt dich auf direktem Wege zum Theismus, dem Glauben an Gott. Die Frage ist dann nur noch, welche der angebotenen Versionen von Gott die richtige ist. Aber eins ist klar: Ein Gott, der alles aus dem Nichts erschaffen hat, kann wahrscheinlich auch Wasser in Wein verwandeln. Dann sind die Wunder im Neuen Testament für ihn Peanuts im Vergleich zur Schöpfung.
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.


Wir haben mit Warner Wallace noch intensiver über Argumente für den Glauben gesprochen. In den folgenden Artikeln haben wir die besten Argumente für den Glauben für Sie zusammengestellt:
 

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Autor/-in: Timo König

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