20.11.2023 / Andacht

Abschied von meiner Mutter

Wie mir mein Glaube in schwierigen Situationen hilft. Eine Andacht.

Gerade sitze ich am Sterbebett meiner Mutter, halte ihre Hand, bin einfach für sie da. Der Moment ist wichtig, alles andere ist weit weg und dringt fast gar nicht an mich heran. Der erste Schock ist überwunden und ich beginne, die Zeit mit Mutter bewusster wahrzunehmen. Wie viele Stunden bleiben uns beiden noch? Erinnerungen an gemeinsame Lebensmomente durchstreifen meine Gedanken und Gefühle. Sie trösten mich und machen mich dankbar.

Nun gebe ich meiner Mutter die Gewissheit, dass ich bei ihr bin, ihr beistehe. Sie nimmt sich die Zeit, die sie braucht.

Zwischen den Welten

Das jetzige Bild von meiner Mutter in diesem Zustand und wie ich sie in Erinnerung habe, wie ich sie mein ganzes Leben lang kannte, passen nicht zusammen. Und doch gehören sie zusammen. Die Stunden verstreichen. Gebete, Zuspruch, Bibelverse, schöne Musik, die Pflege und die Menschen, die Abschied nehmen wollen von meiner Mutter, bestimmen meinen Alltag. Ist es Alltag die sterbende Mutter zu begleiten? Nein, ist es nicht. Es ist eine Ausnahmesituation, die nur einmal in meinem Leben vorkommt.

Wenn ich durch die Zimmertür gehe, habe ich das Gefühl, dass ich von dieser Welt in eine andere Welt gehe. Von der intensiven Welt des Abschiednehmens, hinaus in die normale Welt des Alltags.

Ich muss noch einkaufen. Ich stehe im Geschäft und versuche mich auf das zu konzentrieren, was ich brauche. Was brauche ich denn? Ich brauche Trost. Kann man Trost im Laden kaufen? Nein. Ich gehe und rufe meine Freundin an. Wir reden, beten, sie tröstet mich. Das brauche ich.

Das Leben geschieht gleichzeitig

Mein Mann und ich werden zum ersten Mal Großeltern. Noch ist das Enkelkind nicht geboren, aber die Vorfreude ist groß und wir sind auf das neue Leben gespannt. Alles hat seine Zeit, so steht es auch in den ersten Versen von Prediger 3: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit.“ Das erlebe ich gerade.

In meinem Abschied von meiner Mutter liegen Freude (sie ist von Schmerzen erlöst) und Schmerz. Gleichzeitig. Doch jeder Abschied hat seine ganz eigenen Gefühle, seinen eigenen Ablauf, seine eigenen Tränen.

Jesus, mein Ankerplatz

Das erinnert mich an den Satz in der Bibel: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offenbarung 21,4). Dieser Friede Gottes durchflutet wohltuend mein Herz.

Und wenn ich nachts nicht schlafen kann, bete ich zu Jesus.  Er hört mich. Immer. Diese Verbindung erdet mich, gibt mir Ruhe.

Dann sitze ich am nächsten Tag wieder am Bett meiner Mutter. Ich tauche wieder ein ins Abschiednehmen und in die Welt der Pflege.

Was hilft mir in dieser Zeit?

Ich weiß, dass Gott bei mir ist. Seine Worte aus der Bibel trösten meine traurige Seele und geben mir Frieden. Auch die Familie steht mir tatkräftig zur Seite, kauft ein, kocht und vieles mehr. Wir wechseln uns ab mit dem Wachen am Bett unserer Mutter. Das ist gut so und ich bin dankbar, dass ich nicht allein bin.

Und es gibt Menschen in meinem Umfeld, die für uns beten. Sie sind wie eine unsichtbare Kraftquelle. Ihr Gebet ist die Kraft, die mich trägt. Dadurch spüre ich Gottes Liebe und Trost.

Ich durchlebe das Leben mit Freude und Schmerz im Vertrauen auf Gott. Er ist mein roter Lebensfaden in allen Situationen.

Was hilft dir in herausfordernden Situationen? Welche Menschen begleiten dich durch schwere Zeiten? Kennst du eine Person, die dein Gebet, deine praktische Hilfe jetzt gerade braucht? 
 

Autor/-in: Carmen Schmidt

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