11.06.2019 / Gesellschaft

"70 Jahre Frieden sind einzigartig!"

Militärbischof Sigurd Rink fordert mehr Anerkennung für Soldaten.

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Dr. Sigurd Rink ist der erste hauptamtliche Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit 2014 übt er das Amt aus. Dieser Weg war alles andere als vorgezeichnet. Rink protestierte als junger Mann gegen den Nato-Doppelbeschluss und die atomare Aufrüstung in West-Europa. Rückblickend sagt er: Ich war damals ein radikaler Pazifist. Ein Umdenken setzt bei ihm erst 1994 ein. In Ruanda ermorden Hutus mindestens eine halbe Million Menschen vom Stamm der Tutsis. Und die Weltgemeinschaft schaut nur zu und reduziert sogar noch die Blauhelm-Truppen im Land. Rink, damals Gemeindepfarrer, kommt zu der Erkenntnis: Militärische Gewalt kann als äußerstes Mittel nötig sein. Damit Menschen geschützt werden und noch größeres Leid verhindert wird. Dennoch bleibt Rink Pazifist. Sein Credo: Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein.

Mit Luther auf einer Linie

Interessanter Weise sieht er sich damit auf einer Linie mit dem Reformator Martin Luther. Der habe gesagt: „Ich selbst als Christenmensch muss Unrecht leiden. Ich habe zwar die Möglichkeit zu meiner eigenen Notwehr, aber die ist nicht moralisch wertvoll.“ Gleichzeitig hebe Luther die Schutzverantwortung gegenüber der eigenen Familie, der Verwandtschaft und dem eigenen Land hervor.

In einer globalisierten Welt bleiben Völkermorde und Angriffskriege nicht verborgen.

Und das bedeute: Eine Weltgemeinschaft muss als letztes Mittel zu den Waffen greifen und Menschen schützen, sonst macht sie sich schuldig. Schuld entsteht nach Überzeugung des evangelischen Militärbischofs aber auch, wenn Soldaten im Namen der UN Menschen töten müssen. Ein Dilemma. Und deshalb sei es wichtig, dass die Kirche mit der Militärseelsorge den Soldaten beistehe.

Soldaten mit Respekt gegenübertreten

Überhaupt wünscht sich Sigurd Rink gerade in Deutschland mehr Anerkennung für Bundeswehr-Soldaten. „Ein Mensch aus der Bundeswehr kann sich hier nicht über den Alexanderplatz trauen in Uniform. Deshalb sehen wir ja auch keine Uniformen.“ Rink findet das nicht angemessen. Die Bundeswehrsoldaten leisten einen Dienst im Auftrag der meisten Wähler. „Da kann man ihnen auch schon mal mit Respekt und Anstand gegenübertreten.“

Frieden ist alles andere als selbstverständlich. Das ist Sigurd Rink durch seine Besuche an Einsatzorten der Bundeswehr noch einmal deutlicher geworden. Und deshalb sollten Soldaten, die sich für den Schutz der freiheitlichen Grundordnung einsetzen, auch Wertschätzung erfahren – egal ob man militärische Gewalt als probates Mittel sieht oder nicht.

„Vielleicht haben die Menschen in 70 Jahren Frieden, die Bewunderung verloren, dass dieser Frieden einzigartig ist“, mutmaßt der Militärbischof. „Wie gut geht es den Menschen in einem Land, dass eine bestehende Rechtsordnung hat!“

Seine Entwicklung vom radikalen Pazifisten zum friedensbewegten Militärbischof beschreibt Sigurd Rink in seinem neuesten Buch mit dem Titel „Können Kriege gerecht sein?“

Autor/-in: Oliver Jeske