16.01.2011 / Wort zum Tag

5. Mose 6,16

Ihr sollt den HERRN, euren Gott, nicht versuchen.

5. Mose 6,16

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Es fällt mir schwer zu verstehen, was sich hinter diesem knappen Satz verbirgt. Natürlich verstehe ich die Worte und das, was sie bedeuten. Aber was ist passiert, dass Gottes Kinder meinen, sie könnten Gott „versuchen”? Hatten sie in der Vergangenheit nicht wunderbare Erfahrungen mit Gott gemacht? Er hatte die Israeliten aus der Sklaverei befreit, sie auf dem Weg durch die Wüste begleitet und versorgt, ihnen den Weg in ihre neue Heimat gezeigt. Er hatte ihnen mit den zehn Geboten eine Lebensordnung geschenkt, die ihnen helfen konnte, ihre Beziehung zu Gott und zu ihren Mitmenschen zu ihrer aller Wohl zu gestalten.

Gott ist ihnen begegnet als der HERR. Er verhält sich ihnen gegenüber aber ganz anders als irdische Herren, die unterdrücken und ausbeuten. Nein, er verhilft ihnen zu einem befreiten Leben. Er Ist keine anonyme Macht, der sie blind zu gehorchen haben. Er ist der HERR, e u e r Gott.

E u e r Gott, d e i n Gott. Das Ist außerordentlich persönlich und verbindlich. Da ist einer in ihr Leben getreten, der sie persönlich kennt. Der in Verbindung mit ihnen sein und bleiben will — der ihnen sagt: Ich stehe zu euch, ich bin bei euch, ich begleite euch.

Haben sie nicht gemerkt, welch großes Geschenk Gott ihnen damit macht? Haben sie vergessen, dass er sie angenommen und erwählt hat, weil er sie geliebt hat und liebt? „Ich bin dein Gott”, sagt der HERR zu jedem persönlich.

Was das heißt, weiß ich aus meiner persönlichen Erfahrung. Wenn ein Mensch zu mir sagt: „Ich bin dein...!” dann spüre ich: Etwas Größeres gibt es nicht. Etwas Größeres an Nähe und Verbindlichkeit ist nicht denkbar: Ich bin dein — da ist alles Glück, da ist alles Leben eingeschlossen.

Und was tun die von Gott Geliebten? Sie missachten seine Weisungen. Sie stellen seine Langmut und Geduld auf die Probe. Sie lassen sich wieder einengen, binden und kaputt machen von den Göttern ihrer Umwelt. Von den Göttern der Sucht, der Gier, der Macht. Sie wollen Gottes Güte ausnutzen und missbrauchen für eigene Zwecke. Damit „versuchen” sie ihn.

Und sie übersehen dabei das Entscheidende: Gottes Weisungen und Gebote sind keine Gesetze, die unterdrücken wollen, sondern Hilfsangebote zum Leben. „Du sollst sie halten, auf dass dir’s wohl gehe” heißt es an anderer Stelle in der Bibel. Merken sie nicht, dass sie mit ihrer Haltung nur sich selber schaden? Dass ihr Nein zu Gottes Hilfsangeboten ein Nein gegen sich selber ist?

Das sind keine alten, überholten Geschichten. Immer wieder sind Menschen in Gefahr, Gott für ihre Zwecke zu missbrauchen, statt vertrauensvoll seinen Weisungen zu folgen.
Auf die Frage, was das Besondere am Christentum ist, antwortete im Konfirmandenunterricht ein Junge: „Christentum ist das, was man nicht darf.” So denken wohl viele und verstehen die zehn Gebote als Verbote, die das eigene Leben behindern. So haben das die in unserm Tagestext Angesprochenen auch gesehen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Sie befreien den Menschen aus der Sklaverei seiner eigenen Lebensentwürfe zu einem aufrichtigen Leben in Gottes Nähe. So hat Ernst Lage einmal die zehn Gebote beschrieben, als die „Zehn großen Freiheiten” die Gott schenkt. Und seine Auslegung zum 3. Gebot ist eine Antwort auf das Problem, das unser Tagestext benennt:
,,lch bin der Herr, dein Gott: Du sollst meinen Namen nicht missbrauchen! Du brauchst mich nicht zwingen, dir zu helfen! Weder durch fromme Leistungen — noch durch törichte Beschwörungen weder durch scheinheiliges Gerede — noch durch christliche Bemäntelung deiner eigennützigen Ziele — Denn das alles heißt: Schindluder treiben mit meinem Namen. Ich der allmächtige Gott, bin ganz freiwillig dein Freund. Halte dich an mich, dein Gebet ist nicht vergeblich.”

An Gott will ich mich haften. So werde ich auch den Herausforderungen gewachsen sein, die dieser Tag heute an mich stellt. Gott begleitet mich dabei.

Autor/-in: Pastor i. R. Harald Stein