21.01.2012 / Wort zum Tag

5. Mose 3,24

HERR, du hast angefangen, deinem Knecht zu offenbaren deine Herrlichkeit und deine starke Hand.

5. Mose 3,24

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Es ist die große Abschiedsrede des Mose. Aufgezeichnet im Buch Deuteronomium. Noch einmal lässt er an seinem Volk die zahllosen Stationen ihrer schier endlosen Wüstenwanderung vorbeiziehen. Nun stehen sie vor den Toren des gelobten Landes. Mose darf einen Blick hineinwerfen. Aber seinen Fuß nicht hineinsetzen. Im Neuland übernimmt ein neuer Beauftragter Gottes die Führung: Josua. Mose hat mit Gott gerungen. Aber Gott ist bei seinem Entschluss geblieben. Er hat Mose sogar ein ziemlich schroffes „Basta“ gesagt. Bei Luther heißt das so: „Lass es genug sein. Reden wir davon nicht mehr.“ Die Gute Nachricht Bibel übersetzt: „Genug, kein Wort mehr davon.“

Es war eine schier unendliche Geschichte gewesen. Immer wieder hatte das Volk Israel sich dem Willen Gottes widersetzt. Immer wieder waren sie eigene Wege gegangen. Und einmal hatte sich Mose auf sie eingelassen, hatte ihnen nachgegeben und damit den Zorn Gottes heraufbeschworen. Dieses eine Mal war einmal zu viel. In seiner großen Abschiedsrede vor dem Volk erinnert Mose an diese Situation und daran, wie er mit Gott gerungen hat. Er erinnert sich an jedes Wort seines Gebets: „HERR, du hast angefangen, deinem Knecht zu offenbaren deine Herrlichkeit und deine starke Hand.“ So hat er das Gebet seinerzeit begonnen. Auf die Bitte des Mose, nun das gute Land jenseits des Jordans selber in Augenschein zu nehmen, aber hatte Gott eben mit einem unmissverständlichen „Basta“ reagiert. Aber diese Strafe ist wohl auch eine Befreiung, auch wenn Mose das in diesem Moment noch so gar nicht sehen kann. Niemand kann, nein, niemand muss immer an der Spitze stehen.

Niemand kann, niemand muss so etwas wie der Dauerproblemlöser für andere sein. Gott sagt zu Mose: „Deine Zeit ist nun vorbei. Du kannst nicht mehr und du musst nicht mehr.“

Im Musical „Hoffnungsland“ lasse ich Mose in dieser Situation singen:

„Warum? Wir sind so kurz vor dem Ziel.
Ich habe so lang gekämpft, für diesen Tag gekämpft.
Warum? Wir sind so kurz vor dem Ziel.
Warum ist meine Zeit schon vorbei?
Es verging wie im Flug. 40 Jahre im Flug.
Warum ist meine Zeit schon vorbei?
Ich weiß, ja nun führt ein anderer.
Vergib deinem alten Wanderer.“

Die Fragen bleiben. Aber doch wächst langsam die Einsicht, dass es wohl gut so ist, dass es richtig so ist. Und vielleicht beginnt Mose zu ahnen, dass dieses Ende für ihn der größte Anfang ist, den er jemals erlebt hat. Gott, der angefangen hat, ihn seine Herrlichkeit zu offenbaren, dem wird er bald von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Dann hat er nicht nur einen zarten Hauch von Herrlichkeit, nicht nur eine blasse Ahnung von Gottes starker Hand. Dann erlebt er sie ganz und gar, ohne jede Einschränkung.

Aufhören ist schwer. Abschied nehmen ist schwer. Doch nur wer aufhört, kann etwas Neues anfangen. Nur wer Abschied nimmt, ist bereit für neue Begegnungen, für neue Entdeckungen.

Uns so geht Mose allein auf den Berg, den Gott ihm gezeigt hat. Der alte Wanderer tritt zu seiner letzten Wanderung an. Ein trauriges Bild? Nein, ein ganz und gar hoffnungsfrohes Bild. Da geht einer einer der eindrucksvollsten Begegnungen entgegen, die einem Menschen jemals geschenkt wird. Und wir alle, Sie und ich, können mitgehen.

Autor/-in: Jürgen Werth