10.10.2011 / Wort zum Tag

5. Mose 2,7

Der HERR, dein Gott, hat dein Wandern durch diese große Wüste auf sein Herz genommen.

5. Mose 2,7

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Kürzlich kam ein Freund von einer Pilgerreise zurück. Mehr als 200 km war er unterwegs. Alles zu Fuß, meist in glühender Hitze. Und obendrein mit 10 kg Reisegepäck auf dem Rücken. Eine beschwerliche Angelegenheit – im wahren Sinn des Wortes. Aber die Augen strahlten. Die Worte flossen über. Das Erzählen nahm kein Ende – und die Bilder auch nicht, die er während seiner Pilgerwanderung geschossen hatte.

Solch eine Pilgerreise macht mir Appetit. Jeden Tag ein überschaubarer Fußmarsch, vielleicht mit freundlich gesinnten Mitpilgern. Am Abend wartet ein Pilgerquartiert oder, je nach Geldbeutel, auch ein komfortableres Hotel. Die Sache ist zeitlich überschaubar: Dann und dann werde ich am Ziel angekommen sein. Dann wird das Ende der Pilgerreise gefeiert.

Davon sind Mose und das Volk Israel weit entfernt. Sie sind unterwegs. Hinter sich haben sie die qualvolle Zeit in Ägypten. Dort wurden sie als Sklaven ausgebeutet und drangsaliert. Was für ein Elend! Welch schreiende Not! Doch Gott griff ein und holte sein Volk heraus. Frei sollten sie sein. Auf ins gelobte Land, das Gott ihnen versprochen hat. Aber der Weg dorthin war oft mühselig. Kein Pilgerquartier, das auf sie wartete, sondern Camping unter freiem Himmel. Kein Büffet, das für sie gerichtet war, sondern manchmal quälender Hunger. Dürftige Verhältnisse! Und sie konnten auch nicht ausrechnen, wie lange das alles noch dauern würde. Eine Strapaze und Geduldsprobe ohne Ende! Am Ende mehr als 40 Jahre lang.

Wie gut, dass Mose engen Kontakt zu seinem Gott hält! So kann er auf dem langen Fußmarsch den Menschen Mut zusprechen. Ein Wunder reiht sich ans andere. Wasser quillt aus dem Felsen. An jedem Morgen liegt taufrische Nahrung bereit. Außerdem wirkt die Aussicht auf das versprochene Land wie ein Lebenselixier. Müde werden munter. Leider werden aber auch andere Töne laut: „Wären wir doch in Ägypten geblieben!“ In der Erinnerung werden aus schmalen Rationen saftige Fleischtöpfe. Aus der Sklaverei wird eine rosige Zeit. Das Vergangene wird verklärt. Je trister die Gegenwart, desto goldener die Vergangenheit.

Solche Töne kommen mir bekannt vor: „Ja, früher! Da waren doch die Kirchen noch voller, die Menschen noch frömmer. Gute Sitte stand hoch im Kurs. Heute? Es kann dem Gestern nicht das Wasser reichen. So wie es war, so müsste es heute sein.“ So meinen viele – damals wie heute.

Aber Gott wärmt den Israeliten in der Wüste und auch uns nicht das auf, was früher einmal war, sondern er gibt uns heute frisch und lebendig das, was wir gerade jetzt im Moment brauchen. Auch heute ist Gottes Zeit. Er verspricht Mose: „Ich, der HERR, dein Gott, habe dein Wandern durch diese große Wüste auf mein Herz genommen. Der Weg, den ihr jetzt geht, ist also nicht euer Privatunternehmen. Es ist meine Sache. Es mag euch oft beschwerlich sein in der „großen Wüste“. Aber ihr geht nicht allein. Ich führe euch zum Ziel. Garantiert!“ Dieses Versprechen Gottes hat damals nur wenige beeindruckt. Die meisten haben vor allem die Wüste gesehen, den langen Marsch, die tristen Umstände, die unsichere Zukunft. Heute blickt der eine oder andere genauso auf seinen Lebensweg: nichts als Wüste, unbegreifliche Schicksalsschläge, Kummer und Leid. Was mag noch alles auf mich zukommen?! Alles ist so unüberschaubar und undurchsichtig.

Aber das Wort heute regt an, unseren Blick zu erweitern, mehr zu erfassen als das, was uns betrübt und verunsichert. Dann nehmen wir nicht nur das Beschwerliche wahr, sondern zugleich unseren Gott, der uns zum Ziel unseres Lebens bringen will, auch durch „große Wüsten“ hindurch. Gott hat Ihren und meinen Lebensweg „auf sein Herz genommen“, zu seiner Sache gemacht. Ihm lasst uns glauben. Ihm lasst uns vertrauen. So pilgern wir getrost dem Himmel entgegen.
 

Autor/-in: Präses i. R. Dr. Christoph Morgner