03.03.2010 / Wort zum Tag

2. Mose 33,14

Der HERR sprach: Mein Angesicht soll vorangehen; ich will dich zur Ruhe leiten.

2. Mose 33,14

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Wenn jemand vorbeikäme, der Ihnen einen Wunsch erfüllen wollte und könnte – wäre Ruhe das, was Sie sich wünschen würden? Mose sehnt sich offensichtlich sehr danach. Seine Aufgabe, die Last der Verantwortung, diese schwierigen Menschen weise zu führen – das hat ihn ausgelaugt und mürbe gemacht. Für ihn und für viele, denen es ähnlich geht, ist Ruhe eine verlockende Verheißung. Wenn es einem so geht wie Moses, dann ist es auch höchste Zeit, sich Ruhe zu gönnen – bevor Körper und Seele nicht mehr mitspielen. Womöglich hat Mose selbst das gar nicht so klar gesehen. Gott schubst ihn liebevoll, aber energisch in diese Richtung. „Mose, du brauchst Ruhe – ich leite dich an.“ Denn so ganz von alleine ist es gar nicht so einfach, gute, hilfreiche Ruhe zu finden. Das gilt auf jeden Fall für sehr beschäftigte Menschen, denen es schwer fällt, den Stift oder den Schraubenzieher oder den Spüllappen mal aus der Hand zu legen.

Wirklich heilsam zur Ruhe zu kommen fällt aber auch denen schwer, die daran zu knabbern haben, dass sie nicht beschäftigt sind, die sich einsam fühlen und wertlos, weil sie niemand zu brauchen scheint. Dann mutet der ganze Tag wie eine endlose Anhäufung ruhiger Minuten an und die große Frage ist: „Wie soll ich die Zeit bloß rumkriegen!?“ Aber wirkliche, gesegnete Ruhe ist das nicht, weil sich immerfort im Kopf das Gedankenkarussell dreht, die nagenden Zweifel, die Sorgen, die Angst.

Wie also finden wir zu einer Ruhe, die uns stärkt, in der die Lebensfreude neu aufkeimen kann und eine heitere Gelassenheit sich breit macht? Für Mose ist es Gott selbst, der ihn in diese Ruhe führt. Der Weg dahin scheint einen guten Begleiter zu brauchen, einen, der sich nicht nur theoretisch gut auskennt, sondern aus eigener Erfahrung weiß, wie sich solche Ruhe anfühlt, mehr noch, der diese Ruhe erfunden hat.
Denn genauso wie Gott Sonne, Mond und Sterne, Menschen, Tiere und Aufgaben, Arbeit und Verantwortung geschaffen hat, genauso hat er auch die Ruhe entdeckt – für sich und für uns: Nachdem er sah, das alles, was er getan hatte, sehr gut war, legte er sich am siebten Tag aufs Ohr und ruhte sich aus.

Genau das ist ja der eigentliche Inhalt der Ruhe, die Gott Mose verheißt und zu der er auch uns überreden will: er wünscht sich so sehr, dass wir uns neben ihm ins Gras legen, alle viere von uns strecken und mit dem Planen und Sorgen aufhören. Gott wünscht sich so sehr, dass wir mit ihm zusammen genießen, was da ist, was er oder was wir geschaffen haben - und dann eine Runde schlafen. Nun ist das natürlich nur ein Bild: sich neben Gott ins Gras legen – am siebten Tag, im Paradies. Aber von solchen Bildern lebt unsere Seele. Wenn sich in Ihrem Kopf die Gedanken wieder zu drehen beginnen, oder wenn Sie vor lauter Arbeit und Pflicht ins Rotieren kommen, dann lassen Sie doch dieses Bild auf sich wirken – Gott liegt im Gras und lädt Sie ein, sich neben ihn zu legen. Dann können Sie ihm erzählen, was gerade gut und was gar nicht gut läuft, womit Sie sich abmühen und was gut geklappt hat. Oder auch einfach mit ihm schweigen und ein Ründchen schlafen. Gott passt schon auf, dass in der Zwischenzeit die Welt nicht untergeht!

Eine solche Ruhe, an Sonntagen praktiziert, aber auch im Alltag eingeübt, ist immer auch ein Vorgeschmack auf den Himmel, wo es dann kein Bild mehr ist, sondern Wirklichkeit, dass Sie neben Gott auf der Wiese liegen und das Leben genießen. Der eigentliche, tiefere Grund, warum wir als Christen und als christliche Kirchen in unserem Land für den Erhalt der Sonntagsruhe kämpfen sollten, gegen immerwährende Ladenöffnungszeiten und Gleichmacherei von Werk- und Sonntagen ist ja nicht, dass wir befürchten, unser Einfluss und unsere Macht könnten schwinden, sondern liegt eben in dieser Ruhe Gottes, zu der er uns einlädt, die wie eine offene Tür in einen andere Welt immer da ist. Aber wenn wir uns selbst der Möglichkeit berauben, diese Tür überhaupt noch wahrzunehmen, weil wir immerzu viel zu beschäftigt oder viel zu besorgt sind, dann wird es in unserer Welt eben auch immer geschäftsmäßiger und sorgenvoller und immer gottloser werden. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht – aber ich lege mich gleich mal auf die Wiese zu Gott. Ich habe ihm noch eine Menge zu erzählen.
 

Autor/-in: Pastorin Kerstin Offermann