10.10.2012 / Wort zum Tag

2. Mose 23,6

Du sollst das Recht deines Armen nicht beugen in seiner Sache.

2. Mose 23,6

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Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei. Behauptet jedenfalls der Volksmund. Nicht immer treffen Gerichtsurteile das moralische Empfinden der Masse. Deswegen müssen sie noch nicht falsch sein. Auch eine Mehrheit kann sich irren. Aber manchmal haben Menschen schon das Gefühl, um ihr gutes Recht betrogen zu werden.
Zunächst dürfen wir aber dankbar anerkennen, dass wir in Deutschland ein hohes Maß an Rechtssicherheit genießen. Das sieht in vielen Ländern anders aus. Diktatoren inszenieren Schauprozesse, deren Ausgang von vornherein feststeht. Wo das organisierte Verbrechen blüht, müssen gerechte Richter um ihr Leben fürchten. Und wie oft hat schon die Hautfarbe oder der soziale Status Verfahren entschieden!
Wir können uns bei Rechtsstreitigkeiten umfassend beraten lassen. Wir können eine ganze Bandbreite von Instanzen anrufen. Wer all das nicht bezahlen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Aber alle sozialen Errungenschaften werden nie die Tatsache aus der Welt schaffen, dass der Vermögende im Rechtsstreit immer im Vorteil ist. Er hat den längeren Atem. Er kann mehr Reserven mobilisieren und ist meist auch noch besser vernetzt. Mindestens mit denen, auf die es ankommt.
Wie viel mehr mussten die Armen zur Zeit der Bibel vor Willkür und Unrecht der Reichen geschützt werden! Ein verblüffend großer Teil des Alten Testaments widmet sich sozialen Fragen. Viele Gebote treten der Versuchung entschlossen entgegen, die Armen zu bedrücken und an den Rand zu drängen. Und bei den Propheten geht die Warnung vor fremden Kulten oft mit scharfer Sozialkritik Hand in Hand.
Schon in der Befreiung seines Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei zeigt sich Gott als Freund der Unterdrückten und Ausgenutzten. Er ergreift für sein Volk Partei in einer Härte, die uns heute geradezu erschreckt. Denn in Jesus hat sich Gott dafür ausgesprochen, sogar die Feinde zu lieben. Deshalb können die kriegerischen Texte des Alten Testaments für uns heute keine Handlungsanweisungen mehr sein. Aber vielleicht können wir sie doch etwas besser verstehen, wenn wir in ihnen den Gott entdecken, der an der Seite der Schwachen kämpft.

Im 2. Mose 23,6 heißt es: Du sollst das Recht deines Armen nicht beugen in seiner Sache.
Die Witwen, die Waisen und die Fremdstämmigen waren die bevorzugten Opfer ungerechter Urteile. In vielen Psalmen kommt ihre Klage zu Wort. Sie, die niemand anders haben, wenden sich an Gott, damit er ihr Recht einfordert. Und Gott hört ihr Schreien. Wer andere übervorteilt, nur weil die sich nicht wehren können, hat bis heute den lebendigen Gott gegen sich.
Der Zusammenhang zwischen Glauben und Gerechtigkeit ist in der Christenheit leider immer wieder in Vergessenheit geraten. Die Gemeinde hat das mit einem ganzen Stück Glaubwürdigkeit bezahlt und atheistischen Bewegungen Argumente geliefert. Nehmen wir deshalb die Botschaft ganz ernst, dass Gerechtigkeit für den Gott der Bibel keine Nebensache ist!
 

Autor/-in: Martin Leupold