11.06.2012 / Wort zum Tag

1. Samuel 3,9

„Rede Herr, dein Knecht hört“

1. Samuel 3,9

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Glaubt man der Gesprächspsychologie, dann nimmt unsere Fähigkeit, zuzuhören, konstant ab. Vier bis neun Minuten kann angeblich heute ein Mensch noch konzentriert auf eine Sache hören. Stundenlange Vorträge und Referate müssten demnach also längst der Vergangenheit angehören. Und auch bei den Predigten am Sonntag im Gottesdienst frage ich mich, ob die berühmten zwanzig Minuten, die eine Predigt nicht überschreiten sollte, nicht nach unten korrigiert werden müssen.
Es geht auch anders. Als junger Anfänger im Beruf eines Pastors hatte ich das Glück,  Bischof Dr. Friedrich Wunderlich, damals Bischof der Methodistenkirche, persönlich kennen zu lernen. Neben vielem anderem war Wunderlich ein hervorragender Prediger. Was dies bedeuten konnte, habe ich bei einem kirchlichen Jubiläum erlebt. Schon fast eineinhalb Stunden hatte das Vorprogramm gedauert, alle Vorredner überzogen gnadenlos, die Leute wurden allmählich unruhig. Und dann kam Wunderlich. Er hatte die Festpredigt zu halten, eigentlich den Höhepunkt der Veranstaltung. Fast tat er mir leid, jetzt noch antreten zu müssen. Aber die Sorge war umsonst. Wunderlich schaffte es, die Menschen mit seiner nicht zu kurzen Predigt nochmals so zu fesseln, dass die meisten es bedauerten, als er mit einem kräftigen „Amen“ endete.
War er nur ein außergewöhnliches Redetalent? Ich glaube Nein. Der wahre Grund dafür wurde mir bei einer anderen Begegnung deutlich. Bei einem Ausflug anlässlich einer theologischen Tagung setzte sich Wunderlich ohne Umschweife an den Tisch zu uns Anfängern und jungen Pastoren. Die Älteren und Honoratioren waren darüber entsprechend pikiert und hätten ihn lieber an ihrem Tisch gesehen. -  Im Gespräch fiel auf, wie gut Wunderlich zuhören konnte. Er ermutigte uns durch seine freundliche Art geradezu, offen über das zu reden, was uns bewegte und beschäftigte. Irgendwann ließ er im Gespräch einfließen, wie wichtig es ihm sei, in noch ganz anderer Weise zuzuhören. „Brüder“ sagte er zu uns, „wer nicht bereit ist, intensiv auf Gott in der Stille zu hören, sollte lieber den Mund halten. Vieles unnützes theologisches Geschwätz heute kommt daher, dass viel zu viele Theologen und auch andere Leute es verlernt haben, zuerst zu hören, bevor sie reden. Wer nicht auf Gott hören kann, hat auch nichts zu sagen!“
Eine wichtige Lehre, die mich in meinem ganzen Dienst als Pastor begleitet hat. Das Wort aus 1. Samuel 3 „Rede Herr, dein Knecht hört“ unterstreicht dies. Samuel ist unbestritten eine der wichtigsten geistlichen Gestalten in der Bibel. Diese Rolle konnte er nur einnehmen, weil er hören konnte. Und Gott ihm so, auch in äußerst kniffligen Situationen zeigte, wie Probleme nicht irgendwie, sondern im Einklang mit Gottes Willen und damit zum Heil der Menschen zu lösen waren.
Sind wir jedoch ehrlich: Das Hören auf Gott fällt nicht immer leicht. Es braucht die Stille und die ganz bewusste Hinwendung zu Gott im Gebet. Das sind Dinge, die uns modernen Menschen, nicht leicht fallen. In unserem hektischen Alltag muss Stille oft ganz bewusst erkämpft werden. Aber es ist ein Kampf, der sich lohnt. Und wenn wir Gott wirklich um Augenblicke der Stille bitten, dann schenkt er sie uns – das allerdings oft an Stellen und zu Zeiten, wo wir sie gar nicht vermutet hätten.
Und nochmals: Stille lohnt sich. Denn in ihr öffnet uns Gott die Augen für das, was er sonst noch zu bieten hat. So wie es Jesus zum Beispiel in Johannes 5 ausdrückt: Wer offen ist und in der Stille bereit ist, zu hören, was er uns zu sagen hat, der hat das ewige Leben. Ewiges Leben bedeutet, erfülltes und lohnendes Leben, heute und in alle Ewigkeit. Wer hören kann und es im Glauben annimmt, der hat es. Ohne Wenn und Aber. Jesus garantiert dafür. Stille und Hören lohnt sich also allemal. Auch heute, für Sie!  
 

Autor/-in: Pastor Hans Weisenberger