12.06.2012 / Wort zum Tag

1. Mose 3,9.10

"Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Er sprach: Ich hörte dich im Garten; da fürchtete ich mich."

1. Mose 3,9.10

Markus 2,17

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„Wo bist du?“ – das ist eine Frage, der sich niemand entziehen kann. Der hebräische Name „Adam“ heißt übersetzt „Mensch“ oder auch „Menschheit“. Gefragt ist der Mensch, so wie Gott ihn schuf – nackt und auf Beziehung zum Schöpfer allen Lebens hin geschaffen. Die Frage „Wo bist du?“ ging Adam und Eva durch Mark und Bein. Sie schämten sich. Sie fürchteten sich. Scham. Furcht. Das waren Gefühle, die sie bis dahin überhaupt nicht kannten und die sie unweigerlich von Gott trennten. Die paradiesische Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch war nicht mehr so, wie sie einmal war. Wenn Gott fragt: „Wo bist du?“, dann fragt er damit, in welchem Verhältnis wir zu ihm stehen. Wobei nicht Gott eine Antwort auf diese Frage braucht, sondern der Mensch! Gott weiß ganz genau, wo ich sitze oder stehe, liege oder gehe (vgl. Ps. 139). Er umgibt mich von allen Seiten, ob ich das wahrhaben will oder nicht. Es ist so. Gott weiß, wo ich bin, wovor ich weglaufe, wofür ich mich schäme. Gott kennt mich besser als ich mich selbst kenne. Mit der Frage „Wo bist du?“ holt Gott mich aus meinem Versteck. Ich muss eine Antwort finden. Ich muss meine Beziehung zu Gott überdenken. Gehöre ich zu den Gerechten oder bin ich ein Sünder? Geht mich das überhaupt etwas an, wenn Jesus sagt: „Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten“?
Tja, ich denke, dass das jeden angeht. Nach der Vertreibung aus dem Paradies sind wir allzumal Sünder (vgl. Römer 3,23). Sicher, im Glauben an Jesus Christus darf ich davon ausgehen, dass Gottes Liebe mir gegenüber gerechtfertigt ist. Das weiß ich und ich glaube zutiefst, dass es so ist. Jesus Christus ist der EINE, durch dessen Gerechtigkeit alle Menschen die Chance haben, die unseligen Konsequenzen des Sündenfalls zu durchbrechen. Und dennoch macht sich immer wieder der alte Adam in mir bemerkbar. Ich bin gerechtfertigt – ja.

Aber ich bin nicht vollkommen. „Simul justus et peccator“ – so hat es Martin Luther auf eine zentrale theologische Formel gebracht: D. h. jeder Mensch ist zugleich Gerechter und Sünder. Wenn Jesus nun gegenüber den selbstgerechten Schriftgelehrten und Pharisäern sagt, dass er gekommen sei, die Sünder zu rufen und eben nicht die Gerechten, bedeutet das nicht, dass die Gerechten Jesus nicht bräuchten. Das wird deutlich, wenn man den Zusammenhang bedenkt, in dem Jesus diesen Satz formulierte. Die vermeintlich Gerechten nämlich beklagten sich, dass Jesus mit den Zöllnern Tischgemeinschaft hatte. Die Schriftgelehrten bezogen sich dabei auf die Thora. Auf diesem Hintergrund war die Tatsache, dass Jesus mit den Zöllnern und Sündern aß, genauso schlimm, wie das Essen der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis. Streng genommen hatten die Schriftgelehrten natürlich Recht. Doch eins fehlte ihnen: Liebe und Barmherzigkeit. Jesus ging es ja einzig und allein darum, auch den Zöllnern und Sündern die Liebe Gottes nahe zu bringen. Für einen Sünder eine unglaubliche Botschaft. Denn Scham und Furcht trennen jeden Sünder von Gott. Und die Gerechten? Selbstgerechtigkeit und Stolz trennen ebenfalls von Gott. Wo stehen Sie in diesem Spannungsfeld zwischen Sünder und Gerechter? „Wo bist du?“ – das ist und bleibt die entscheide Frage. Gott sei Dank ist Jesus Christus in diese Welt gekommen. Er ist der Arzt. Seine Liebe ist heilsam für mein Ego. Seine Erlösung hilft mir, zu dem Menschen zu werden, der ich gerne sein möchte und wie der Schöpfer sich ihn ursprünglich gedacht hat.

Autor/-in: Pastor Roland Bunde