30.05.2012 / Wort zum Tag

1. Mose 28,17

„Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“

1. Mose 28,17

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Wo ist eigentlich Gott zu finden? Wenn man Gott sucht: Wo kann man ihn finden? Wo ist er zu Hause?

Viele Menschen glauben, man findet ihn am ehesten in einer Kirche. Als ich vor einigen Jahren Urlaub auf der Insel Madeira machte, besuchte ich auch eine alte, ehrwürdige Kirche. Und mir fiel auf, wie viele Menschen in die Kirche kamen. Nicht, um die Kirche zu besichtigen, sondern um tatsächlich dort still in einer Bank zu beten. Offensichtlich waren auch sie der Auffassung: Gott begegnet man am ehesten in einer Kirche.

In unserem heutigen Bibelwort aus dem 1. Buch Mose begegnet Jakob, der Stammvater Israels, Gott ganz überraschend anders. Nicht in einer Kirche (auch nicht in einem Tempel!), sondern mitten im Alltag: Auf einer Reise. Ja, sogar auf einer Flucht. Mitten in einer großen Not.

Jakob nämlich hat seinem Bruder Esau den Segen gestohlen. Und nun muss er fliehen, weil Esau ihn töten will. Jakob (und nicht Esau!) ist wohl nach Gottes Plan der Träger der Verheißungen, die Gott dem Abraham gegeben hat. Aber er hat sich erschlichen, was ihm sowieso zukommen sollte. Er hat seinen Bruder betrogen und sich schuldig gemacht – nicht nur vor Esau, auch vor Gott.

Dennoch lässt Gott Jakob nicht fallen. Und das zeigt schon an dieser Stelle: Der Gott Israels ist ein gnädiger Gott. Mitten auf seiner Flucht begegnet er dem Jakob nachts in einem Traum. Jakob sieht eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reicht. Und auf der Leiter steigen die Engel Gottes auf und nieder. Oben aber steht Gott und sagt zu Jakob:

„Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben ... und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst ... Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“

Das sind erstaunliche Worte! Gott begegnet dem Jakob auf der Flucht und erneuert seine Verheißung. Obwohl Jakob kläglich versagt hat. Gott wendet sich von Jakob nicht ab, sondern begegnet ihm in seiner Not. Und sagt ihm seine Liebe und Nähe zu. Er wird Jakob auch jetzt nicht verlassen.

Dann wacht Jakob auf und ihm wird klar: Mir ist Gott begegnet. Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit erfasst ihn. Und dann sagt er die Sätze, um die es in unserem heutigen Bibelwort geht (1. Mose 28,17): „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“ Dann richtet er den Stein, auf dem sein Kopf nachts geruht hat, zu einem Steinmal auf und nennt diesen Ort „Bethel“. Das heißt übersetzt „Haus Gottes“.

Also: Gott begegnet uns nicht nur in Kirchen. Er kann uns überall begegnen. Überall da, wo Gott uns begegnet, da ist Gottes Haus. Da wohnt Gott. Besonders wenn wir in Not sind, will er uns begegnen. Das kann auch in einer Küche oder in einem Schlafzimmer sein. Oder bei einem Spaziergang. Gott braucht keine Kirche, um zu uns zu reden.

Natürlich haben auch Kirchen ihre Berechtigung. Dort ist ein Ort, wo wir gemeinsam mit anderen Gottes Wort regelmäßig hören können. Aber Gott ist an solche Orte nicht gebunden. Er kann uns überall begegnen. Ob wir dafür offen sind?

Autor/-in: Pastor Karl-Friedrich Kloke