06.09.2011 / Wort zum Tag

1. Mose 26,24

Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir und will dich segnen.

1. Mose 26,24

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Es war an einem Sonntag, in einer kleinen Dorfkirche, irgendwo in Österreich, mitten im Urlaub. Meine Frau und ich wollten den Gottesdienst besuchen. Aber bevor wir die Kirche betraten, fielen uns ein paar junge Männer auf. Sie standen etwas abseits und waren im Gespräch miteinander. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie in die Kirche wollten. Aber irgendwie wollten sie wohl auch nicht so ganz weit weg davon sein.

Wir haben dann das kleine Gotteshaus betreten und folgten dem Gottesdienst. Alles verlief normal und auch durchaus vertraut, nur kurz vor dem Segen, also ganz am Schluss geschah etwas Erstaunliches. Eine kleine Tür vorn neben dem Chorraum tat sich auf, und die Gruppe der jungen Männer kam rein, einer nach dem anderen. Sie stellten sich an die Seite, offenbar nur mit dem einen Ziel: Sie wollten den Segen nicht verpassen. Und so geschah es dann auch. Der Pfarrer war offenbar gar nicht erstaunt, er wusste wohl um dieses seltsame Verhalten. Jedenfalls ließen wir uns alle den Segen Gottes zusprechen, und kaum, dass wir den Kopf wieder erhoben hatten, waren die jungen Leute auch schon wieder verschwunden, durch dieselbe kleine Tür vorn links.

Oft muss ich an diese Begebenheit denken. Die jungen Männer haben ja offenbar eine Menge vom Segen verstanden. Den Gottesdienst wollten sie nicht, der war ihnen zu lang und wohl auch zu langweilig. Aber den Segen wollten sie. Was haben sie sich wohl dabei gedacht? Auf jeden Fall müssen sie gedacht haben, dass das mit dem Segen irgendwie gut ist. Dass er irgendetwas Heilendes, Stärkendes an sich hat. Sonst wären sie ja draußen geblieben.

Und so ist es ja auch. Was in unserem Wort für den Tag dem großen Isaak zugesprochen wird, findet sich in der Bibel immer wieder. Immer wieder teilt Gott seinen Segen aus. Aber nicht nur damals, - bis zum heutigen Tage werden Menschen gesegnet und segnen einander. Und was passiert da? Mit dem Segen reicht Gott Ströme seiner Güte an die Menschen weiter. Im Griechischen und im Lateinischen heißt „segnen“: Etwas Gutes sagen. Gottes Güte wird weitergereicht. Eine Portion Kraft wächst den Menschen zu, die sich segnen lassen. 

Das haben wohl auch die jungen Leute in Österreich verstanden. Und seit ich das selbst auch noch mehr begriffen habe, mache ich beim Segen immer die Hände auf. Mir wird ja nicht nur etwas zugesprochen; ich bekomme ja etwas. Um mir das bewusst zu machen, öffne ich die Hände wie jemand, der Wasser schöpfen möchte. Und unsere Kinder haben wir, als sie noch klein waren, regelmäßig gesegnet, wenn sie schliefen, in ihren Kinderbetten. Und es geht ja weiter: Ich kann auch mit meinem Gebet Menschen segnen, wenn sie gar nicht dabei sind. Der Segen erreicht sie doch. Gottes Segen tut gut, Segen wirkt, auf jeden Fall. Segen heilt, ja, Segen durchschneidet auch eine Geschichte der Verbitterung. Voller Wunder ist das mit dem Segnen.

Gerade war ich wieder in Österreich, zu einer Tagung. Ich hatte verschiedene Dienste dort, zusammen mit anderen Referenten. Als alles vorbei war, sagte ein sehr alter Herr im kleineren Kreis: „Sollten wir nicht jetzt die segnen, die uns den Segen des Wortes Gottes gebracht haben?“ Und schon versammelte sich eine Gruppe von Betern um uns, um für uns zu beten und uns die Hände aufzulegen. Wie gut hat mir das getan! Was war das für ein Geschenk, als Gesegneter die Heimreise antreten zu dürfen!

Mit dem Segen sagt uns Gott zu, dass er mit uns geht und dass wir uns nicht zu fürchten brauchen. Und die Wortbedeutung des deutschen Wortes „segnen“ setzt noch etwas Wichtiges hinzu: Das Wort kommt aus dem Lateinischen und heißt „bezeichnen“. Es geht darum, so sagt es mein Wörterbuch, das Zeichen des Kreuzes zu schlagen, so wie viele das in der Gemeinde ja auch tun. Damit machen wir deutlich, dass Jesus da ist, der, der für uns ans Kreuz gegangen ist und heute lebt. Dass er uns zuspricht, was der Vater im Himmel versprochen hat. Ich freue mich schon darauf, wenn ich wieder unter Gottes Segen komme. Am Sonntag in der Kirche. In der Gebetsgemeinschaft im Hauskreis. Wo auch immer: Hauptsache, wir lassen uns den Segen Gottes nicht entgehen.
 

Autor/-in: Pfarrer i. R. Hartmut Bärend