20.01.2012 / Wort zum Tag

1. Mose 13,8

Abram sprach zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.

1. Mose 13,8

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In der Politik gibt es die kecke Steigerungsformel: Freund, Feind, Parteifreund. Ist das in der Kirche eigentlich auch so? In der Gemeinde? Na, hoffentlich nicht. Am Rande der Wartburg-Gespräche habe ich einmal Günther Beckstein gefragt. Er war ja Ministerpräsident in Bayern und ist auf relativ unschöne Weise aus seinem Amt gedrängt worden. Heute ist er stellvertretender Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er kennt also die Welt der Politik genauso gut wie die Kirche. „Wo ist es eigentlich besser? Oder anders gesagt: Wo ist es eigentlich schlimmer?“, habe ich ihn gefragt. „Ach“, hat er geschmunzelt, „da gibt es eigentlich gar keine großen Unterschiede.“ Um nach kurzem Zögern hinzuzufügen: „Manchmal ist es in der Kirche noch schlimmer, weil man da nicht so mit offenen Karten spielt.“

Freund, Feind, Parteifreund. Auf die Kirche übertragen hieße das dann: Freund, Feind, Bruder oder Schwester.

Richtig daran ist, dass die, die sich miteinander in der Kirche, in der Gemeinde engagieren für Gott und für die Welt, dass die einander in der Regel nicht gesucht haben. Und dass deswegen sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Charakteren, mit sehr unterschiedlichen Lebensgeschichten aufeinandertreffen. Das ist nicht unbedingt immer der Himmel auf Erden. Manchmal vielleicht sogar das Gegenteil davon. Ich könnte Ihnen jetzt Geschichten erzählen …

Aber eigentlich soll es so nicht sein. Eigentlich muss es so auch gar nicht sein. Über die ersten Christen heißt es in der Apostelgeschichte: „Seht, wie haben sie einander so lieb.“ Gut, das hat man dann ein paar Jahre später so auch nicht mehr sagen können. Trotzdem ist das ja vielleicht der Normalfall von Gemeinde und nicht das andere, der Richtungsstreit, die Rechthaberei.

Die Bibel wirft stets einen sehr realistischen und nüchternen Blick auf die Menschen, die mit Gott in dieser Welt unterwegs sind. Ich denke an Kain und Abel. An Saul und David und Absalom. Ich denke an die Jünger, die sicherlich nicht nur einmal darüber diskutiert haben, wer denn im kommenden Reich des Messias Jesus eine besonders wichtige Rolle spielen würde.

Die Losung von heute erzählt von Lot und Abram. Zusammen mit seinem Neffen Lot zieht Abram mit seinen Viehherden durchs Land Kanaan und wird dabei reich. Allerdings gibt es zunehmend Streit zwischen den Hirten Abrams und den Hirten Lots. Da macht Abram einen weisen Vorschlag: „Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.“ Und er schlägt Lot vor, sich einen Teil des Landes auszusuchen. Er würde dann den anderen nehmen. Lot entscheidet sich für die Jordanebene. Und der Konflikt ist bereinigt.

Ich bin bei diesen vier Wörtern hängengeblieben: „Denn wir sind Brüder.“ Wobei das Wort „Brüder“ hier durchaus in einem weiteren Sinne gebraucht wird. „Denn wir sind doch verwandt“, könnte man auch übersetzen. Was heißt denn das: Wir sind Brüder? Es heißt, wir haben denselben Vater. Wir gehören zusammen. Wir gehören zum selben Fleisch und Blut.

Ich glaube, dass hier der Schlüssel liegt, um die zahlreichen Konflikte, denen wir in der Gemeinde immer wieder begegnen, lösen zu können: „Wir gehören zusammen.“ „Wir haben denselben Vater.“ „Wir haben denselben Herrn.“ „Wir leben miteinander von seiner Gnade und Barmherzigkeit.“ „Sein Kreuz steht über uns und es steht zwischen uns.“

Darauf wollen und sollen wir uns immer wieder neu besinnen und neu zueinander finden. Oder wie Abram und Lot künftig friedlich getrennte Wege gehen. Aber, eben, friedlich! Denn wir gehören zusammen in Zeit und Ewigkeit. Ob wir wollen oder nicht. Freundschaften kann man auflösen. Verwandtschaftliche Beziehungen nicht. „Denn wir sind Brüder.“ „Denn wir sind Schwestern.“ Lasst uns so aufeinander zugehen. Lasst uns so miteinander umgehen.
 

Autor/-in: Jürgen Werth