21.09.2013 / Wort zum Tag

1. Korinther 13,12

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“

1. Korinther 13,12

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Unsere kleine Tochter hat heute keinen guten Tag: Sie tobt. Sie schreit und weint. Und bei alledem schaut sie immer wieder zum Fenster. Wenn es draußen dunkel und drinnen hell ist, kann sie sich nämlich im Fenster sehen. Sogar in ihrer Wut findet sie das spannend: sich selbst anzusehen.

Dafür benutzt sie alle Flächen, in denen sie gespiegelt wird. Und dies in allen denkbaren Lebenslagen. Wie alle Kinder hat sie bald  realisiert, dass ein Spiegel immer nur ein Bild zeigt. Da ist keine Wärme vorhanden. Ein Spiegelbild eignet sich nicht, um zu spüren, wie sich Tränen, Freudenjubel oder Schmerzen anfühlen. Aber: Spannend ist dieses Bild halt trotzdem.

Es stört sie kaum, wenn das Bild verzerrt oder der Spiegel verschmutzt ist. Selbst in einer Pfütze kann sich das eigene Gesicht spiegeln. Man muss bloß etwas genauer hinsehen. 

Dieses Bild greift Paulus im 1. Brief an die Korinther auf. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“1. Kor. 13,12 Das ist der heutige Lehrvers. Er steht im 13. Kapitel des Korintherbriefes, mitten im bekannten „Hohelied der Liebe“. Hier stehen Sätze wie: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht …“ Bezieht sich der Lehrvers also auf die dort beschriebene Nächstenliebe? Bleibt auch sie hier auf Erden Leben unabdingbar nur Stückwerk? Unsere Liebe zu den Mitmenschen? Und ihre Zuwendung zu uns?

Ja, hier ist alles Stückwerk. Nicht mehr also, als eine Vorahnung  ein Bild von dem, was kommen wird. Aber immerhin, was wir im Spiegel sehen, ist so spannend, dass wir motiviert werden, uns auf den Weg zu machen. Auf den Weg zum Urbild. Es wird uns zum Ziel. Das Urbild ist die Liebe Gottes. Diese Liebe wollen wir sehen, erfahren und spüren, schon hier und dann von Angesicht zu Angesicht.

„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“  1. Kor. 13,12Manche Übersetzungen fügen im letzten Teil erläuternd an: „… dann aber werde ich erkennen, wie ich von Gott erkannt worden bin.“

Eigentlich ist das, wonach ich mich sehne, also schon eine Realität: Ich bin schon von Gott erkannt worden. Es geht hier nicht um irgendeine Wahrheit unter vielen. Es geht hier um Gottes Realität, um Gottes Wahrheit für mein Leben. Dann – bei Gott – werde ich sie ganz wahrnehmen können: mit all ihrer Wärme, ihrem Klang, ihrem Lachen und Weinen.

Bei Gott wird sich all das, was im „Hohelied der Liebe“ verheißen wird, ganz entfalten. Jetzt aber kann ich diese Liebe erst schemenhaft erkennen und leben. Ehrlich gesagt: Ich will mehr. Ich will diese Liebe umfassend spüren und fühlen. So wie auch die Wärme und das Leben, das dieses Spiegelbild höchstens erahnen lässt.

Übrigens: Wenn Sie wieder mal so richtig wütend sind und herumtoben, dann schauen Sie sich doch einmal im Spiegel an. Und dann denken Sie daran: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; …  dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ – und von Gott geliebt.

Autor/-in: Andreas Schenk