04.11.2010 / Wort zum Tag

1. Korinther 1,28-29

Das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme.

1. Korinther 1,28-29

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Welcher engagierte Christ träumt nicht davon, dass seine Gemeinde wächst. „Wachsen gegen den Trend” lautet ein Schlagwort heute. Aber wie soll das geschehen? Und dann träumt man weiter von einem hoch begabten Pastor und Prediger, von mitreißenden Jugendleitern, von fachlich kompetenten Mitarbeitern auf allen Arbeitsfeldern der Gemeinde.

Nun ist ja wirklich nichts dagegen zu sagen, wenn man so begabte Leute in seiner Gemeinde hat. Im Gegenteil, eine solche Gemeinde ist zu beglückwünschen. Allerdings muss man eins im Blick behalten: Gottes Traumverwirklichung von einer lebendigen Gemeinde geht in eine andere Richtung. Paulus beschreibt es im Lehrtext am 04. November aus dem 1. Korintherbrief, Kapitel 1 so: „Das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist... damit sich kein Mensch vor Gott rühme.” Gott hat also nicht nur geträumt von einer lebendigen Gemeinde, er hat eine solche Gemeinde in Korinth geschaffen. Doch er hat sie nicht mit Hilfe von Hochbegabten geschaffen, sondern aus Geringen und Verachteten. Gott begabt seine Erwählten damit, dass sie nicht mehr unter ihren Minderwertigkeitskomplexen leiden, sondern fröhlich mit Jesus leben, eifrig für Jesus leben und offen von Jesus reden.

Paulus hat diese Sicht von Jesus selbst gelernt. Wen hat Jesus zu seinen Aposteln erwählt? Zum Beispiel schlichte Fischer. So schlicht, dass selbst noch nach drei Jahren intensiver Begleitung und Unterweisung durch Jesus der jüdische Hohe Rat erstaunt feststellte, dass sie (so wörtlich) „ungelehrte und einfache Leute” waren. Für uns heute haben die Apostel natürlich ein hohes Ansehen, aber zu ihrer Zeit gehörten auch sie zu den Geringen und Verachteten. Doch gerade mit solchen Leuten baut Jesus seine Gemeinde. Auch bei uns.

Paulus mahnt uns, dass wir unsere Wachstums-Hoffnungen nicht auf menschliche Qualitäten setzen, sondern auf Gottes Berufung. Warum wählt Gott ausgerechnet die Geringen und Verachteten? Paulus schreibt: „damit sich kein Mensch vor Gott rühme”. Das ist unsere große Gefahr: wir leben von dem, was wir selber können und schaffen. Leider auch in der Gemeinde. Wir sind oft stolz auf unsere Leistungen. In der Theorie leben wir zwar von der Gnade Jesu, in der Praxis aber meist von unseren eigenen Leistungen. Und die Kehrseite dieser Praxis ist: wenn uns die Leistungsträger in der Gemeinde fehlen, fangen wir an zu resignieren. Stolz auf die eigene Begabung einerseits und Minderwertigkeitskomplexe und Resignation andererseits haben die gleiche Ursache: unsere falsche Blickrichtung. Wir sehen auf uns und unsere Möglichkeiten statt auf Gott und seine Möglichkeiten. In einem alten Lied heißt es: „Wenn ich mich selbst betrachte, so wird mir angst und weh, wenn ich auf Jesus achte, so steig ich in die Höh”. Paulus will uns heute neu den Blick frei geben auf Gottes Weise, die Gemeinde Jesu zu bauen. Egal wie gering oder verachtet wir sind - Jesus selbst ist der Baumeister seiner Gemeinde. Doch gilt: er will mit uns und durch uns bauen, nicht ohne uns. Auch wenn wir keine besonderen Fähigkeiten haben!

Ich erinnere mich an meine Jugendzeit. Ich bin aufgewachsen in einer großen Jugendarbeit mit vielen Mitarbeitern. Warum hatten wir so viele Mitarbeiter? Erstens natürlich, weil wir immer wieder die Blickrichtung auf Jesus und seine Macht richteten. Zweitens jedoch, weil eine der wichtigsten Mitarbeiterregeln lautete: ein Mitarbeiter muss keine große Begabung, aber er muss einen „TiK” haben (keinen „Tick“). TiK war für uns die Abkürzung von „Treue im Kleinen”. Das kann auch ein weniger Begabter haben. Das war und ist entscheidend für das Wachsen eine Gemeinde: nicht länger zu fragen, wie großartig oder verachtet ich selber bin, sondern in schlichter Treue Jesus mit meiner Zeit und Kraft zur Verfügung zu stehen. Aber wenn wir doch nur eine kleine Kraft haben? Dann ruft Paulus uns im Namen Jesu zu: Na und? Wir leben doch aus Jesu Kraft! Seine Kraft ist gerade in den Schwachen mächtig.

Autor/-in: Pfarrer i. R. Jürgen Blunck