12.05.2011 / Wort zum Tag

1. Könige 8,39

Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder.

1. Könige 8,39

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Eine Gruppe von Menschen. Einer erzählt etwas, eine Begebenheit aus seinem Leben. Die anderen reagieren unterschiedlich. Einige hängen an den Lippen des Erzählers. Einer tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ein anderer schaut irgendwohin, ins Leere. Wieder ein anderer nickt einige Male mit dem Kopf. Was mögen die Zuhörer denken? Welche Assoziationen mag das Erzählte in ihnen hervorrufen? Wie reagieren sie, nicht äußerlich, sondern innerlich?

Ich möchte gar zu gern wissen: Was denkt jetzt der andere? Gedanken sind ja viel schneller als das, was dann als sprachliche Reaktion geäußert wird. Diese Gedanken können sogar ganz anders sein als die nachfolgende sprachliche Äußerung. Jemand kann denken: „Da hat er aber gewaltig übertrieben und sich mächtig mit dem gebrüstet, was er geleistet hat.“ Und sagen kann er womöglich: „Interessant, was du da erzählst.“

Es gibt ein Volkslied, dessen Text lautet: „Die Gedanken sind frei. Wer kann sie erraten? Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen ...“ Kein Mensch kann sie wissen – nein, aber einen gibt’s, der weiß sie, der kennt sie alle, ganz genau: der allmächtige und allwissende Gott, der kennt sie.

„Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder.“ Das ist das Bibelwort für den heutigen Tag. Das betet der König Salomo, als er den fertigen Tempel in Jerusalem einweiht. Es geht Salomo darum, dass Menschen in diesem Tempel aus den verschiedensten Anlässen Gott anrufen werden. Das werden meistens notvolle Anlässe sein. Salomo bittet Gott, er möge jedem dieser Menschen geben, wie er es verdient habe, „wie du sein Herz erkennst“, sagt Salomo und er fährt fort: „Denn du allein kennst das Herz aller Menschenkinder.“

Salomo weiß: Das, was von einem Menschen sichtbar ist, das kann täuschen. Wie es im Innern eines Menschen aussieht, kann kein Außenstehender wirklich erkennen und ganz durchschauen. Aber wenn Gott einen Menschen sieht und ihn beurteilt, dann spielt für ihn nicht nur das äußere Tun und Lassen eine Rolle, sondern vor allem das, was an Gedanken und Motiven dahinter zu erkennen ist. Und das erkennt allein Gott in allen Zusammenhängen und Verästelungen. Er allein kennt das Herz aller Menschen.

Das ist auch für mich tröstlich. In mehrfacher Hinsicht. Manchmal verstehe ich einen Menschen nicht. Ich kann nicht begreifen, wie er zu diesem oder jenem Verhalten kommt. Ich finde auch im Gespräch keinen Zugang zu seinen Gedanken und Motiven. Da hilft es mir zu wissen: Gott kennt das Herz dieses Menschen. Und er kennt es nicht nur, er kann es auch beeinflussen. Deshalb ist das Beste für mich; dass ich für diesen Menschen zu Gott bete.

Manchmal kommt es auch vor, dass ich mit guten Absichten irgendetwas begonnen habe, und dann ist schließlich doch eher etwas Negatives daraus geworden. Womöglich muss ich mir dann auch noch unangenehme Kritik von anderen Menschen gefallen lassen. Da hilft es mir, dass ich weiß: Gott kennt meine Gedanken und Motive. Das allein ist mir wichtig. Sollen die Menschen denken, was sie wollen.

Und schließlich: Gott kennt das Herz aller Menschenkinder. Er kennt auch mein Herz. Er durchschaut mich bis in die letzten Tiefen, wahrscheinlich bis in solche Tiefen, in die ich selbst gar nicht mit meinem Bewusstsein vordringe. Ich kann ihm nichts vormachen. Ich muss ihm auch nichts vormachen. Ich darf wissen: Er liebt mich, so wie ich bin.

Autor/-in: Hans-Peter Bartels