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14.10.2015 / Interview / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Miriam Schaumburg

Schlechte Zeiten gibt's immer

„Ohne unseren Glauben wären wir nicht mehr zusammen“: Ein Interview mit Elsa und Heinz Jahrling.

Seit 60 Jahren sind Elsa und Heinz Jahrling verheiratet – mehr als ein halbes Leben. Auch wenn es manchmal Schwierigkeiten gab, haben sie nie an Scheidung gedacht. Wir haben nachgefragt, was dem Ehepaar Jahrling geholfen hat, ihre Liebe über die Jahrzehnte hinweg immer weiter zu vertiefen und welche Tipps sie jungen Ehepaaren geben.

ERF: Sich verlieben, das geht schnell. Doch wenn man erstmal verheiratet ist und zusammenlebt, gibt es plötzlich viele Dinge am Partner, die einen stören. Kennen Sie das auch?

Elsa Jahrling: Ja, da gab es einige Dinge, denn wir kamen aus verschiedenen Familien und da muss man sich erstmal zusammenraufen. Aber mit den Jahren wurde das immer besser.

Heinz Jahrling: Ich habe früher meiner Frau manche Schwierigkeit zugefügt. Es ist vieles gelaufen, was nicht gut war. Und sie hat mich immer wieder zurechtgewiesen. Es war also gut, dass ich eine Korrektur hatte durch meine Frau, wenn ich etwas falsch gemacht habe.

ERF: Nennen Sie mal ein Beispiel.

Heinz Jahrling: Wenn ich manchmal mit anderen Mädchen oder jungen Frauen geschäkert habe, hat Elsa gesagt: „Vati, du gehst zu weit. Lass das sein.“ Und ich habe immer wieder darauf gehört. Das war in einer längeren Zeit unserer Ehe meine schwache Seite. Noch heute leide ich darunter, wenn ich daran denke, welche Schwierigkeiten ich meiner Frau damit gemacht habe.

Und wir haben auch zusammengearbeitet. Da kommt es immer wieder zu Spannungen. Denn wenn man immer zusammen ist, ist die Gefahr viel größer, mit Spannungen zu leben. Dann ist es gut, wenn man diese Spannungen bespricht und ausräumt. Im Grunde brauchen wir dabei immer eine dritte Schnur (vgl. Prediger 4,12). Das war für uns Jesus Christus. Er führte uns immer wieder auf eine gemeinsame Basis zurück. Wir haben unser Leben lang immer zusammen gebetet und die Bibel gelesen.

ERF: Wie ging es Ihnen denn mit den Fehlern Ihres Mannes, Frau Jahrling?

Elsa Jahrling: Ich bin mit seinen Fehlern gut zurechtgekommen. Wir hatten unterdessen ja vier Kinder. Und dann habe ich gedacht: „Erstmal kann ich mit vier Kinder sowieso nicht weg. Und wenn ich einen anderen Mann gekriegt hätte, hätte der auch seine Fehler.“ Also haben wir uns immer wieder zusammengerauft. Was mir eigentlich am meisten zu schaffen gemacht hat, war sein Fahrstil. Er fuhr sehr rasant. Wir haben uns darüber immer wieder in die Wolle gekriegt. Bis dahin, dass wir einen schlimmen Unfall hatten. Danach konnte ich nicht mehr mit ihm Autofahren. Aber nach diesem Unfall kam unser ältester Sohn zu mir und sagte: „Du musst weiterfahren“ und hat mit mir ein Auto gekauft. So haben wir das Problem gelöst: Ich fahre jetzt das Auto und er gibt die Richtung an.

Meine Frau ist Gottes Geschenk an mich

ERF: Sie Herr Jahrling haben davon gesprochen, dass Sie mit anderen Frauen geschäkert haben. Kam es denn auch einmal dazu, dass einer von Ihnen sich in jemand anderen verliebt hat?

Heinz Jahrling: Nein. Es ist zwar so, dass es im Mann eher angelegt ist, mal ausbrechen zu wollen. Aber ich wollte das nicht. Schon am Anfang, als wir uns kennengelernt haben, war mir klar: „Das ist meine Frau. Ihr will ich treu sein.“ Und wenn mir meine Frau irgendwie nicht mehr gefallen hat, habe ich mir klar gemacht: „Gott hat mir diese Frau geschenkt. Und wenn ich sage: ‚Die gefällt mir nicht mehr‘, dann beleidige ich Gott. Denn er hat mir ein Geschenk gemacht und ich missachte sein Geschenk.“ Danach war auch unser Verhältnis zueinander wieder besser. Ich sah plötzlich wieder die Talente, die Elsa hatte. Es war, als ob mir Gott meine Frau wieder neu als Geschenk geben würde.

ERF: Wie war das bei Ihnen, Frau Jahrling? Haben Sie ähnliche Erfahrungen wie Ihr Mann gemacht?

Elsa Jahrling: Ich hatte damit keine Probleme. Andere Männer konnte ich meist nicht leiden. Ich war ein bisschen ein Männerfeind. Es gab aber Kunden, die meinem Mann die Hand streichelten und ihn zum Geburtstag einluden und mich nicht. Da habe ich manchmal gedacht: „Jetzt reicht es.“ Aber durch solche Tiefen geht man immer im Leben. Ganz gleich, welchen Partner man sich sucht, Schwierigkeiten gibt es immer. Außerdem hatte ich keine Angst. Ich wusste, Heinz liebt seine Kinder sehr. Angenommen, wir hätten uns getrennt, dann hätte er seine Kinder hergeben müssen. Das hätte er nie gemacht. Also hatte ich immer eine Sicherheit.

Wir hatten nie eine Auszeit

ERF: Sie haben als Ehepaar auch zusammen gearbeitet. Haben Sie sich das bewusst ausgesucht?

Elsa Jahrling: Das war eine ganz einfache Sache: Wenn ich nicht im Laden gewesen wäre, hätte mein Mann in der Werkstatt nicht arbeiten können. Also musste ich mitarbeiten. Und das war manchmal für mich nicht so leicht mit den vier Kindern.

ERF: Die Zeit, in der die Kinder klein sind, ist ja eine heiße Phase in der Ehe. Gerade mit vier Kindern hat man nur wenig Zeit als Paar. Haben Sie sich da als Paar immer wieder Auszeiten genommen?

Elsa Jahrling: Wir hatten nie eine Auszeit. Wir konnten nie sagen: Heute Abend gehen wir mal aus. Dann hätten wir ja die Kinder alleine lassen müssen.

ERF: In heutigen Beziehungsratgeber steht oft, dass man sich Freiräume als Paar schaffen soll. Sie hatten scheinbar keinen Freiraum als Paar. Haben Sie das gemerkt?

Elsa Jahrling: Nein, das haben wir nicht gemerkt. Ich kann mich entsinnen, wir haben einmal eine Singfreizeit mit unseren Kindern gemacht. Ich glaube, ich war Fünfzig, als ich das erste Mal Urlaub gemacht habe. Wir hätten 10.000 D-Mark gebraucht, um 14 Tage Urlaub zu machen. Und dann kommst du nach Hause und die Kunden sind irgendwo anders hingegangen und das Konto ist auch leer. Das konnten wir uns nicht erlauben. Ich muss ehrlich sagen: Ich habe das auch nicht vermisst.

Die schlechten Zeiten bleiben nicht aus

ERF: Sie haben bereits erwähnt, dass der gemeinsame Glaube eine zentrale Rolle in Ihrer Ehe spielt. Denken Sie, dass Sie heute immer noch zusammen wären, wenn Sie nicht gläubig gewesen wären?

Heinz Jahrling: Nein. Das Bindeglied unserer Ehe war der Glaube an Jesus. Wenn wir den nicht gehabt hätten, wären manche Spannungen nicht gelöst worden.

ERF: Wie haben Sie Ihren Glauben konkret zusammen gelebt?

Elsa Jahrling: Mit vier Kindern hat man nur wenig Zeit, im Wort Gottes zu lesen und zusammen darüber zu sprechen. Das war ein Problem. Aber abends, wenn wir zusammen im Bett lagen, haben wir die Hände gefaltet und unsere Kinder gesegnet. Und dann haben wir immer darauf geachtet, dass wir eine Gemeinde hatten, in der wir eingebunden sind. Wir können uns heute beide nicht mehr vorstellen, einen Sonntag nicht im Gottesdienst zu sein. Dann muss schon einer krank sein.

ERF: Was würden Sie nach so vielen Jahren Ehe über den Spruch sagen: „In guten wie in schlechten Zeiten“?

Elsa Jahrling: Die schlechten Zeiten bleiben nicht aus. Ich wüsste kein Ehepaar, bei dem nicht manchmal Spannungen sind. Aber es lohnt sich, wenn man sich an das Wort Gottes hält und seine Gebote ernst nimmt. Das haben wir beide erfahren. Und mit zunehmendem Alter erleben wir es als das Schönste, das es auf Erden gibt, zusammen alt zu werden.

ERF: Erleben Sie in Ihrem Zusammenleben heute immer noch Überraschungen oder denken: „Mensch, das habe ich ja noch nie von Dir gehört“?

Heinz Jahrling: Es gibt schon Überraschungen. Ich kann jetzt aber keine benennen. Aber ich will es mal so sagen: Einem wird manches immer größer, schöner und immer höher. Auf der anderen Seite ist es auch so, dass man manchmal frühere negative Ereignisse bedauert und darüber noch mal Buße tut. Aber jetzt können wir sagen: Die letzten 14 Jahre ist die schönste Zeit unserer Ehe gewesen.

Elsa Jahrling: Wir haben beide beschlossen: Wir wollen uns nicht mehr zanken. Und wenn doch Spannungen aufkommen, sagen wir: „Wollten wir das nicht abstellen?“ Und dann gelingt das auch.

Dankbar für jeden gemeinsamen Tag

ERF: Wie hat sich Ihre Liebe verändert? Lieben Sie sich immer noch so wie vor 60 Jahren?

Heinz Jahrling: Anders. Es ist viel tiefer geworden. Manches ist weggefallen. Aber die Liebe ist immer stärker geworden.

Elsa Jahrling: Das Größte ist einfach die Dankbarkeit für jeden Tag, den man noch zusammen sein darf. Es gab auch schon Tage, da war Heinz im Krankenhaus und ich musste allein im Schlafzimmer liegen. Dann fehlt einfach die Hälfte. Ich würde jedem wünschen, dass er die Ehe durchhält. Denn wenn man ausbricht und jemand anders kennenlernt, merkt man nach einer Weile: Der Andere hat ja auch Fehler. Und dann kommt man vom Regen in die Traufe. Wenn man ausbrechen will, sollte man sich nüchtern fragen: „Was bringt das eigentlich?“ Denn letztlich bringt das nichts. Jeder hat seine Fehler. Vielleicht nur ein paar andere. Dann ist es besser, man befolgt Gottes Wort, bleibt bei seinem Partner und wird damit glücklich.

ERF: Am Anfang der Ehe stellt man sich als Paar die Frage: „Wie schaffen wir es, zusammen zu bleiben?“ Welche Themen beschäftigen Sie nach so vielen Jahren Ehe?

Heinz Jahrling: Wir waren ein paar Male auf Freizeit mit einigen Altengruppen. Damals stand ich kurz vor mehreren Operationen. Und da kam auf der Freizeit die Frage auf: „Was wünscht Ihr Euch?“ Da habe ich gesagt: „Ich wünsche mir, dass ich noch ein wenig mit meiner Frau zusammen bleiben kann.“ Und jetzt sind wir dankbar, dass wir noch zusammen sind. Das ist nicht selbstverständlich.

ERF: Stellen Sie sich auch die Frage, was passiert, wenn einer von Ihnen stirbt?

Heinz Jahrling: Ja, aber ich weiß immer noch nicht, was es heißt: „Ordne dein Haus.“ Es gibt viele Dinge, die ich immer noch selbst mache und das müsste dann alles meine Frau machen. Das könnte ich mir gar nicht vorstellen. Aber ich weiß, dass sie sehr geschickt ist und das auch schaffen würde.

Elsa Jahrling: Ich würde sagen: Der, der übrig bleibt, muss sich noch mehr auf Gott verlassen. Aber da haben wir auch noch die Gemeinde. Da sind Leute, zu denen man hingehen und sagen kann: „Hilf mir mal.“ Das ist wichtig. Ich habe eine Cousine, die ist so alt wie Heinz und sehr einsam. Aber ich weiß: So einsam werde ich nicht, weil die Gemeinde da ist.

ERF: Vielen Dank für das Interview.


Lesen Sie die Geschichte von Ehepaar Jahrling in dem Porträt „60 Jahre Seite an Seite“ noch mal genauer nach.
Hier finden Sie außerdem noch mal einen Fernsehbeitrag über das Ehepaar Jahrling aus unserer Sendung „Gott sei Dank“:

 

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